Was in Hamlets jungem Kopf vorgeht

Symbolbild Kasino am Schwarzenbergplatz.
Symbolbild Kasino am Schwarzenbergplatz. Imago
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Kasino. „Hamlet, Ophelia und die anderen“ erkundet das Seelenleben der Jugend.

Es beginnt mit einer Videomontage, die Kamera rast durch graue Tunnel, dazu stellt eine Stimme jene Fragen, die Shakespeares „Hamlet“ seit mehr als 400 Jahren seinem Publikum aufdrängt: Was müsste passieren, damit man bereit ist, jemanden umzubringen? Ist Rache ein tief menschliches Verlangen? Kann man sich bewusst gegen Empathie entscheiden?

Den Antworten darauf kommt die Inszenierung im Burgtheater-Kasino nicht maßgeblich näher. Im Zentrum von „Hamlet, Ophelia und die anderen“ steht das Seelenleben der Jugendlichen, die in diesem „Drama aller Dramen“ aufgerieben werden. Regisseurin Cornelia Rainer und Autor Stephan Lack haben es für ein junges Publikum ab 14 Jahren aufbereitet, den Text (nach der Schlegel-Übersetzung) zu großen Teilen in moderne Sprache versetzt, die Handlung vereinfacht. Sie erzählen durch Hamlets Geschichte auch von den (alltäglichen) Qualen der Adoleszenz: Vom Gefühl, nicht verstanden, abgewiesen, nicht ernst genommen zu werden. Und: den Entscheidungen der Erwachsenenwelt ausgeliefert zu sein – schließlich hat sich Hamlet nie ausgesucht, in die Intrigen am dänischen Hof hineingezogen zu werden. Er will doch nur in Ruhe seine Ophelia lieben. „Könnten wir noch einmal von vorne anfangen?“, fragt sie, er antwortet resigniert: „Unsere Geschichte hat schon vor uns begonnen.“

Unheimliche Videos

Die Inszenierung führt rastlos durch die Ereignisse. Auf der Bühne: ein paar (umgestürzte) Säulen, am Rande ein Schreibtisch inklusive Aktenvernichter, mit dem Ophelia Hamlets Liebesbriefe auf Geheiß des Vaters schreddert, ein paar Röhrenfernseher. In ihnen flimmern unheimliche Bilder, gedreht von Jugendlichen im Rahmen des Programms „Offene Burg“: kahle Kellergänge, bleiche Gesichter mit Verbänden über den Augen, Verfolgungen, die vor geschlossenen Türen enden. Es ist eine düstere Gedankenwelt, die in diesen Videos zum Vorschein kommt. Hamlets Weltekel, seine Wut auf Autoritäten, seine Frustration über die eigene Ohnmacht werden ausgiebig visuell begleitet.

Doch nicht alle Regieeinfälle wollen so recht ins Konzept passen: Die wenigen Witze, die in die ansonsten tragisch-ernst gehaltene Stimmung gestreut werden, zünden nicht, ein kurzer dramaturgischer „Was wäre wenn“-Schwenk wirkt allzu verkrampft, und die Idee, für das finale Duell einen Laertes „aus dem Publikum“ zu holen (der natürlich kein Zuschauer ist, aber konsequent so tut), irritiert – oder soll damit nur noch einmal betont werden, wie unbeteiligte Jugendliche in die Kämpfe ihrer Eltern hineingezogen werden?

Stringenter ist das Spiel der Darsteller: Dorothee Hartinger, Peter Knaack und Marcus Kiepe geben die Erwachsenenriege. Christina Cervenka spielt Ophelia als artige, aber verzweifelnde Verliebte, und Sven Dolinski verleiht Hamlet etwas Angriffiges, Trotziges – bis zuletzt: „Der Rest ist Schweigen.“ Von vorne anfangen, das ist den Jungen hier nicht gegönnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2017)

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