Kammerspiele: Das Gift toller Tanten

Neffe Mortimer (Martin Niedermair) entdeckt ein furchtbares Geheimnis: Die so nett wirkenden Tanten Abby (l.: Marianne Nentwich) und Martha (Elfriede Schüsseleder) sind passionierte Giftmörderinnen.
Neffe Mortimer (Martin Niedermair) entdeckt ein furchtbares Geheimnis: Die so nett wirkenden Tanten Abby (l.: Marianne Nentwich) und Martha (Elfriede Schüsseleder) sind passionierte Giftmörderinnen.(c) Herwig Prammer
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Paraderollen für Marianne Nentwich und Elfriede Schüsseleder in „Arsen und Spitzenhäubchen“.

Nach zweieinhalb Stunden mit recht unterhaltsamem wie auch mörderischem Spiel gab es am Donnerstag in den Wiener Kammerspielen Standing Ovations für Marianne Nentwich. Zum 75. Geburtstag der Doyenne, die dem Theater in der Josefstadt seit den frühen Sechzigerjahren treu geblieben ist, hatte als letzte Premiere der Saison Joseph Kesselrings komödiantischer Volltreffer „Arsen und Spitzenhäubchen“ (Deutsch von Helge Seidel) Premiere. Nentwich spielte in dieser Inszenierung von Fabian Alder subtil die Paraderolle der liebenswürdig wirkenden Abby Brewster, die mit ihrer Schwester Martha (Elfriede Schüsseleder) im Dutzend ältere Herren auf Zimmersuche mit einem Giftcocktail um die Ecke gebracht hat, assistiert vom durchgeknallten Neffen Teddy (Alexander Pschill), der sich für US-Präsident Roosevelt hält und meint, Opfer des Gelbfiebers im Keller des Hauses in New York zu verscharren.

Kesselrings vor 76 Jahren am Broadway höchst erfolgreich uraufgeführtes Stück beruht auf einer wahren Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Frank Capras Hollywood-Film machte „Arsenic and Old Lace“ 1944 weltberühmt, der zynische und doch befreiende schwarze Humor funktioniert noch immer. Wer würde je Cary Grants entsetztes Staunen vergessen, der im Film den einzig normalen Brewster spielt? Theaterkritiker Mortimer will eine Pastorentochter heiraten, kommt den Tanten auf die Schliche und kämpft schließlich gegen einen zweiten Bruder ums Überleben – Serienmörder Jonathan, der einst von Horror-Star Boris Karloff gespielt wurde. An solchen Legenden müssen sich Martin Niedermair als Mortimer und Markus Kofler als Jonathan messen. Die Regie erliegt nicht der Versuchung, sie die Vorbilder imitieren zu lassen.

Das ist klug. Eine Reihe ausgezeichneter Charakterdarsteller der Josefstadt agiert versiert im Slapstick (samt komplexer Schattenspiele wie im Stummfilm), ist sprachlich ausgesprochen quick und firm. Ohne Präzision wäre diese Farce verschenkt, bei der in einem absurd arrangierten Wohnzimmer Polizisten, Verbrecher und potenzielle Opfer genauso durchgeknallt sind wie die Brewsters. Überdreht wirken in dieser Inszenierung alle. Das Ensemble meistert seine Aufgabe an sich bravourös. Nur im längeren Teil vor der Pause lässt der Elan schließlich etwas nach. Man wartet leicht ermattet auf das furiose Finale.

Rascher zu Gott durch einen Cocktail

Bei Nentwich und Schüsseleder sind keine Schwächen auszumachen, die hätten sogar noch weit mehr Potenzial! Was für reizende alte Damen, die einander mühelos Pointen zuwerfen können. Es bereitet ihnen sichtlich Vergnügen, zwei tolle Tanten zu spielen, die ihre Neffen, die Exekutive und den Herrn Pastor mit Kaffee und Kuchen verwöhnen – und dann und wann mit tödlich präpariertem Holunderwein ahnungslose Senioren rasch näher zu Gott bringen wollen. Am Ende bedankte sich Vorstand Günter Rhomberg artig bei der Jubilarin und verlas einen Huldigungsbrief von Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger. Das rührte die Kammerschauspielerin und ihre vielen Fans.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2017)

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