München: Schrekers Oper im Bilderrausch

Christopher Maltmann mit Ehefrau Leigh Woolf.
Christopher Maltmann mit Ehefrau Leigh Woolf. (c) APA (MIKE VOGL /PRESSEFOTO NEUMAYR)
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„Die Gezeichneten“ eröffneten am Samstag die Münchner Opernfestspiele.

Fast wäre es ein Stück zweier Komponisten geworden, denn Alexander von Zemlinsky hatte sich von Franz Schreker eine Tragödie über einen hässlichen Menschen als Libretto gewünscht. Dem gefiel aber sein eigenes Textbuch so gut, dass er Zemlinsky bat, es ihm zur Vertonung zu überlassen. Im Original spielt dieser sich um Eros, Sex und Macht drehende Dreiakter im Genua des 16. Jahrhunderts. Der Adelige Alviano Salvago hat sein „Elysium“ genanntes Eiland für seine Freunde geöffnet, um trotz seiner körperlichen Gebrechen ein geachtetes Mitglied der Gesellschaft zu sein. Sie missbrauchen diese Gastfreundschaft, woraufhin Salvago seine Insel nun für ganz Genua öffnen will, was die vermeintlichen Freunde mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Dass einer von ihnen Salvago seine Carlotta ausspannt, passt zu diesem an Intrigen reichen, mit mystischen Momenten kokettierenden Stoff.

Bildende Kunst als Inspiration

Nicht in Genua, sondern in einem kühl-klassizistischen Einheitsbühnenraum verortet Regisseur Krzysztof Warlikowsky mit seiner Bühnen- und Kostümbildnerin Malgorzata Szczęśniak das Geschehen. Beide lassen sich sehr – oft zu sehr – von der bildenden Kunst beeinflussen. Voran den Performances von Marina Abramović: Carlotta wird als deren Ebenbild dargestellt. Dass sie zum Sterben in eine Vitrine steigt, erinnert an die Schauspielerin Tilda Swinton, die einen Tag lang im New Yorker MoMa in einem Glaskasten vor Publikum schlief. Dazu kommen Videoeinblendungen von Denis Guéguin. Wenn die Protagonisten am Ende mit Tierköpfen auftreten, sind endgültig alle sich auf der Bühne tummelnden Personen zu Kunstfiguren geworden. Deshalb kämpft auch Herzog Adorno lieber im Boxring als gegen die Wirrnisse der realen Welt. Das ergibt viele beeindruckende Bilder, die mehr die Interaktion von Kunst und Mensch als die menschlichen Beziehungen in den Fokus rücken. Kluge Personenführungen schließt das, vor allem im Finale, nicht aus.

Tomasz Konieczny gab einen prägnanten Herzog Adorno, Christopher Maltmann brillierte als Tamare, souverän, wenngleich mit unterschiedlichem Höhenglanz, agierte John Daszak in der Partie des Alviano. Catherine Nagelstadt präsentierte sich mit kühl-berechnendem Charme als ideale Carlotta. Ingo Metzmacher am Pult ließ sich anfangs von den oft schwülstigen Klangentladungen Schrekers zu sehr mitreißen, ehe er auf durchsichtigere Klanglichkeit setzte, es damit den Sängern leichter machte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2017)

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