Mozart in Stockholm: Wer mit der Liebe spielt, hat verloren

Marc Minkowski.
Marc Minkowski. (c) imago/SKATA (imago stock&people)
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Drottningholm. Mit dem Schiff ins Schlosstheater: Ivan Alexandre und Marc Minkowski präsentieren „Così fan tutte“ als Opernerlebnis der andern Art.

Im vorgeblichen Zeitalter des Regietheaters hat die angeblich altmodische Parole „prima la musica“ erfreulicherweise Rückenwind erfahren. In Drottningholm spielt man Mozart so vital, spontan wie empfunden, dass szenischer Klimbim kaum stört. Die neue „Così fan tutte“ kann sich international hören lassen, selbst wenn das Stück auf der Bühne traditionell abgelesen wird. Natürlich wird auch hier nur mit Wasser gekocht, doch die Situation mit zwei veritablen Stars hat schon ihre Namen: zum einen den des idyllischen Kleinods des historischen Schlosstheaters mit mozartzeitlicher Atmosphäre, zum anderen den der Dirigentenpersönlichkeit des Marc Minkowski, der schier atemlos und locker-frivol die Musik durch die Labyrinthe dieser „Scuola degli amanti“ trägt und prägt.

Ein Opernerlebnis der anderen Art: zuerst eine knapp einstündige Schifffahrt vom Stockholmer Rathaus zum grünen Inselparadies, neben dem vornehmen Sommerschloss verbirgt sich in einem unscheinbaren Nebenhaus die alte Theatermanufaktur kunstsinniger Herrscher, darin das Schlosstheater für 430 Besucher – Bühne, Maschinerie, Zuschauerraum und Tribüne komplett aus Holz (die Bänke mit Bayreuth-Komfort) – welch ein Wunder, dass das noch so gut wie original dasteht! Da stimmen fürwahr die Dimensionen, besonders jene zwischen Klang und Raum.

Cherubini wird Don Juan und Alfonso

Im Da-Ponte-Zyklus Minkowskis und seines Partners Ivan Alexandre verwandelte sich Cherubino seit 2015 in Don Giovanni und Don Alfonso. Der Philosoph, viril längst im Ausgedinge, kann sich Erotik, Lust und Genuss nur noch im Wettspiel annähern. Die Besetzung kommt ohne „Big Names“ aus, doch geben aufstrebende Talente und bereits erprobte Sänger ein bestens eingespieltes Ensemble ab. Allen voran das virtuose Schwesternpaar mit Ana Maria Labin (Fiordiligi) und Serena Malfi (Dorabella) sowie die flotte Despina von Giulia Semenzato.

Die Männer haben es schwerer: Robert Gleadow wäre ein vorzüglicher Guglielmo, könnte er seinen Bariton etwas drosseln, Anicio Zorzi Giustiniani (Ferrando) sucht noch nach den Tenor-Linien, Jean-Sébastian Bou kann die vom Regiekonzept geforderten Ansprüche kaum erfüllen: ein (zu) junger Stimmprotz, der sich bei den Qualitäten älterer Männer, Ironie und Zynismus, noch nicht auskennt.

Ohne viel Charakterschärfung und Tiefgang setzt Ivan Alexandre das mit operettigen Späßchen um. Wohl ermöglicht Antoine Fontaines Bühne auf der Bühne gefällige Szenenarrangements, Pfiff hat jedoch lediglich die letzte Einstellung im Finale: Anstelle des Quasi-Happy-Ends prügeln die Männer sich ebenso wie die Frauen. Verspielt haben sie alle, egal, in welchen Konstellationen. Damit es nur ja nicht missverständlich wird, sind Spielkarten als Accessoires in die Aktionen integriert – Herzbube passt zu Herzdame, wer hätte das gedacht . . .

Marc Minkowski beweist mit Tempo, Phrasierung, Agogik, Herz, gemeinsamem Atmen zwischen Bühne und Orchester (in Minimalbesetzung auf Originalinstrumenten) einmal mehr, dass Mozart stets Abenteuer und eine Herausforderung bleibt. Doch wissenden Händen und Hirnen wird selbst das Schwerste leicht – und nachhaltig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2017)

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