Der spontane Ausbruch einer Frau in mittleren Jahren – „Shirley Valentine“

Vienna's English Theatre. Cally Lawrence legt ein prächtiges Solo hin.

Wie kommt es, dass eine bodenständig wirkende Person mit der freundlich-gelben Wand in ihrer schlichten, sauberen Wohnküche spricht? Deutet sich Midlife Crisis an? Shirley Bradshaw ist 46, die Kinder sind bereits erwachsen und eben aus dem Haus, ihr Mann Joe ist „zufrieden mit dem, wie es ist“. Tote Hose. Sie haben sich nichts mehr zu sagen, wie sogar in seiner Abwesenheit deutlich wird, als Shirley das gemeinsame Dinner vorbereitet – Erdäpfel mit Ei, nicht, wie von ihm jeden Donnerstag erwartet, Hackfleisch. Das hat die Gute heimlich dem Hund einer veganen Familie zu fressen gegeben. Sie ahnt bereits, dass diese Abweichung vom Gewohnten beim Mann eine Krise, in der Ehe eine grobe Verstimmung auslösen wird.

Nach und nach kommt es raus: Mrs. Bradshaw wäre lieber wieder Shirley Valentine. So lautet der Titel von Willy Russells britischer Komödie (1986) und dem preisgekrönten Film (1989) von Regisseur Lewis Gilbert. So hieß die Frau in diesem romantischen Drama als Mädchen. Sie war aufgeweckt, abenteuerlustig. Früh wurde sie dann Hausfrau und Mutter. Nun befürchtet Shirley, das Leben bereits endgültig versäumt zu haben, sie fühlt sich zurückgesetzt und ausgenutzt. Doch da bietet sich eine Chance: Ihre Freundin – eine Feministin! – wird für zwei Wochen auf Urlaub nach Griechenland fahren und will Mrs. Bradshaw zu dieser Reise einladen. Die zwei Tickets sind bereits gekauft. Wie soll Shirley das ihrem Mann beibringen? Allein beim Gedanken an eine Konfrontation fällt sie in breiten Midland-Dialekt. Darf sie den pauschalen Ausbruch aus dem Alltag wagen? Das Abenteuer lockt.

Die Taverne, das Meer und Kostas

Cally Lawrence, bekannt aus britischen TV-Serien, hat am Dienstag bei der Premiere in Vienna's English Theatre in Adrienne Fergusons Inszenierung ein prächtiges Solo hingelegt. In zwei Stunden entwickelt sie einen Charakter, der Empathie weckt: Drei Wochen vor der Abreise sieht man eine Frau, die sich mit Mutterwitz geduldig durch den Alltag quält. Der Tag der Abreise ist durch gesteigerte Nervosität gezeichnet, die Pointen werden schärfer. Und am Ende, vor der Taverne bei Wein, Sonne, Meer und in Gesellschaft des Griechen Kostas, der stets das Abenteuer sucht, wird Sherley vor allem sich selbst wiederentdecken. Wie verspannt und idiotisch wirken da im Vergleich andere britische Feriengäste, die Freundin, die Tochter und der Mann, über die sie schlicht und doch so punktgenau berichtet! Das Leben hat sie voll erfasst. Warmherziger Applaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2017)

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