Akademietheater: Innenweltreisen mit Mayröcker

(c) APA (Herbert Neubauer)
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Liebevolle Geburtstagsfeier für eine große Sprachkünstlerin.

Am 20. Dezember feiert sie ihren 85. Geburtstag. Seit Wochen reißen die Feiern nicht ab. Die Jubilarin ist schon ganz erschöpft. Im Akademietheater las Friederike Mayröcker Dienstag aus ihrem neuen Buch „dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif“: „Ich bin allein, das ist das alte Jahr, wir werden uns wiedersehen.“ 2000 ist Mayröckers Dichtergefährte Ernst Jandl gestorben. Zu Beginn würdigte Elisabeth von Samsonow – Künstlerin, Kunstakademie-Professorin, Freundin – „das göttliche Mädchen, das die Sprache gezüchtet hat oder geboren“, als eine Antithese zu der korrumpierten, kommandierenden, polizeilichen, apodiktischen Sprache. Das Loben von Jubilaren ist gewöhnlich eher peinlich. Aber bei Mayröcker sind einem komischerweise die angebotenen Superlative zu wenig, vielleicht weil man bei ihr das Gefühl hat, sie „lädt uns ein, mit ihr zu sein“ (Samsonow) – und kennt jeden Leser.

Bei vielen anderen Dichtern würde man wohl auch einschlafen, wenn man ihnen wie im anschließend gezeigten Film von Carmen Tartarotti 90Minuten lang beim Klappern auf einer Maschine namens „Die Baby“ beim Gehen durch den Park und beim Plaudern über das Leben zuschauen und zuhören müsste. Hier möchte man nach dem Abspann rufen: noch einmal von vorn. Ob wir Mangel an poetischen Gegendarstellungen, lyrischen Zauberwelten haben? Tartarottis „Das Schreiben und das Schweigen“ wird im Frühjahr 2010 im Stadtkino gezeigt. Der witzigste Moment im Film ist übrigens, wenn Mayröcker dem entsetzten Peter Huemer erklärt, dass sie mit konkreter Poesie à la Jandl aber überhaupt gar nichts anfangen könne. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2009)

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