Ernst Molden: „Melancholie kannst du nicht lernen“

Clemens Fabry
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In seinem dritten Singspiel zeigt Ernst Molden den Kronprinzen Rudolf als Geist und den Wilderer vom Annaberg als gescheiterte Existenz. Ein Gespräch über die dünne Schicht der Zivilisation und die Endlichkeit des Glücks.

„Die Presse“: In Ihrem neuen Singspiel „Mayerling“ wird ein Wilderer vom Geist des Kronprinzen Rudolf heimgesucht. Wie kamen Sie auf diese Konstellation?

Ernst Molden: Ich bin in meinen Singspielen immer von alten Sagen ausgegangen. Diesmal ist es eine klassische österreichische und süddeutsche Jagdsage: Ein ewiger Jäger will erlöst werden. Hier ist es der Kronprinz Rudolf. Er hat sich in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts am Hubertushirschen versündigt – darum ist der Fluch über ihn hereingebrochen, darum hat er mit der Mary Vetsera den Selbstmord begangen. Diese Sage trifft – auch das ist in allen meinen Stücken so – auf etwas aus dem heutigen Österreich.

Hier ist es der Wilderer vom Annaberg: Der ist vor ein paar Jahren von der Polizei aufgescheucht worden und hat bei seiner Flucht drei Beamte getötet. Ich zeige ihn vor seinem potenziellen Amoklauf. Er ist in die Enge getrieben, er hat Frau, Job und Jagdlizenz verloren. Mit der Stimme des Kronprinzen als Tinnitus im Ohr geht er in den Wald . . .

. . . und wird zum Wilderer. Ist das eine natürliche Reaktion, wenn man sich von der Zivilisation verraten fühlt?

Ich glaube, dass die Zivilisation eine sehr dünne Schicht ist. Wenn man die österreichische Jägerschaft betrachtet – und das sage ich jetzt sehr vorsichtig, weil ich auch wahnsinnig liebe Jäger kenne –, spürt man das auch ein bisschen. Spätestens seit 9/11 gibt es ja diese Apokalyptiker, die sich mit Munition und Trinkwasseraufbereitungsgeräten eindecken und sich für den Tag X vorbereiten. Bei den Jägern ist dieses Überleben im Wald schon seit Jahrhunderten vorbereitet. In Österreich ist das Jagen auch sehr ans Katholische gekoppelt, und an das am Land immer noch bestehende Obrigkeitsdenken. Da gibt es ungesunde Verflechtungen. Da braucht man nur ein bissl hineintupfen, und es kommt gleich ein schillernder Eiter raus.

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