„Nathan“ im Labyrinth von Jerusalem

Hinter dem Chor der Gesichtslosen: rechts Nathan (Werner Strenger), in der Mitte der junge Tempelherr (C. M. Riegler).
Hinter dem Chor der Gesichtslosen: rechts Nathan (Werner Strenger), in der Mitte der junge Tempelherr (C. M. Riegler).(c) Lupi Spuma
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Die junge britische Regisseurin Lily Sykes verzettelt sich im Schauspielhaus Graz bei Lessings großem Ideendrama. Die Aufführung bietet viel Symbolik, aber wenig Spannung. Einige Schauspieler haben mit dem Blankvers schwer zu kämpfen.

Gotthold Ephraim Lessing eröffnet sein Drama „Nathan der Weise“ hochdramatisch. Der Titelheld kehrt von einer lukrativen Geschäftsreise nach Jerusalem zurück, um von der Christin Daja, der Gesellschafterin seiner Tochter, zu erfahren, dass diese beinahe bei einem Brand des Hauses ums Leben gekommen wäre. Sie wurde von einem jungen Tempelherrn gerettet. Ein Engel, der ein Wunder vollbracht hat, meinen die Frauen. Nathan ist skeptisch gegenüber solch bequemer Vorsehung.

Doch die schien hier doppelt zu wirken. Der Tempelherr, der sich mit einem Dutzend anderer Krieger mitten im Waffenstillstand gegen Sultan Saladin erhoben hatte, wurde vom Herrscher über Jerusalem nur deshalb verschont, weil er dessen verschollenem Bruder so ähnlich sieht. Die anderen Kreuzzugsritter ließ Saladin umstandslos exekutieren. Brandgefährliche Zeiten herrschen im Heiligen Land – der nächste Krieg scheint bevorzustehen.

Säulen als Protagonisten. Diesem rasanten Beginn, der raffinierten Präsentation politischer Umstände im Jahre 1192 und noch zu klärender familiärer wie auch religiöser Verhältnisse, hat Regisseurin Lily Sykes nicht vertraut. In ihrer Inszenierung am Schauspielhaus Graz, die am Freitag Premiere hatte, erzählt sie eine Vorgeschichte, eine Idylle: Nathan (Werner Strenger) will seine Tochter (sie ist hier noch keine junge Frau, sondern ein Kind) zum Schlafengehen bringen. Erst aber spielen sie noch Verstecken und Fangen. Das Haus des Juden im Zentrum der Bühne eignet sich ideal dafür, es besteht aus einem Wald von Säulen. Das Kind will aufbleiben. Was für ein liebevoller Vater! Während Daja skeptisch blickt, erzählt er der kleinen Recha (Sophia Attems) noch eine lehrreiche Parabel von einem Pferd, das ein anderes, tolleres Wesen sein will. Zeus verwandelt es wie zur Strafe in ein Kamel. Bleibe, was du bist, lautet die göttliche Botschaft, ein Appell der Bescheidenheit.

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