"Hass" bei den Wiener Festwochen: Jugend ohne Ort

Hass Wiener Festwochen Jugend
Hass Wiener Festwochen Jugend(c) Wiener Festwochen / Theresa Rauter
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Die Wiener Festwochen machen aus Mathieu Kassovitz' wegweisender Banlieue-Studie "La Haine" einen heiter- beklemmenden Einblick in das Leben Jugendlicher vom gesellschaftlichen und geografischen Rand.

"Hass" ist eine Entführung: Mit Bussen bringen die Wiener Festwochen Besucher des Theaterstücks nach dem französischen Film "La Haine" in das aufgelassene Gaswerk Leopoldau, das den Stadtrand markiert. Zwei Maskierte stürmen die Fahrzeuge, zwingen dazu, ihr von Unruhen aufgewühltes Viertel zu sehen. Ein Viertel, das es so in Wien nicht gibt: "La Haine" von Mathieu Kassovitz entstand in und aus den Banlieues, den mit perspektivenlosen Jugendlichen meist migrantischer Herkunft bevölkerten, tristen Vororten von Paris. Ein in den Neunzigern wegweisender Film im ikonischen Schwarz-Weiß, der durch Straßenkämpfe zwischen Jugendlichen und Polizei - ob in Paris oder in Griechenland - neue Aktualität erhält.

Der Beginn, eine Art Stationendrama, in dem sich die drei Hauptfiguren vorstellen und die Zuschauer in Gruppen folgen, wirkt noch etwas hölzern: Man folgt Daniil (Daniel Wagner), dem Spaßmacher, sowie dem aus Afrika stammenden David (David Wurawa), der überlegten Leitfigur der von Resignation geprägten Gruppe. Karim (stark: Karim Cherif) vervollständigt das Trio: Der angry young man steckt sich irgendwann eine Waffe in den Hosenbund, die fortan den Handlungsverlauf dominiert. Den Protagonisten zu folgen nimmt Regisseur Volker Schmidt wörtlich: Straßen, Gebäude und Schutthalden werden bespielt, das Publikum eilt hinterher.

Ständig labernd führen die Jugendlichen durch einen Tag ihres Lebens und entwickeln in einer Sprache zwischen Sprachen einen Sog - österreichischer und bundesdeutscher Slang, Französisch, Englisch, Russisch mischen sich in die teils absurd-komischen Dialoge, die jederzeit in eine Gewaltsituation kippen können. Die (durchaus notwendigen) Guides, die zu den jeweiligen Spielorten führen, reißen mit ihrem "Bitte weiter" wieder aus diesem Strom heraus: Vom Club-Besucher, der klatschend den Rhythmus zu Breakdance-Battles vorgibt, wird man zum Voyeur, der sich mit der Lebenswelt von Wohlstandsverlierern einen schönen Abend macht. Trotz der so gehaltenen Distanz gelingt, vor allem durch die authentischen Hauptdarsteller, die Gratwanderung zwischen Spektakel und Mitleben, das Stück zeichnet ein beklemmendes Bild einer Gesellschaft im freien Fall.

Das Stück

Spieltermine von "Hass":

27. bis 30. Mai, 3. - 6. und 10. bis 13. Juni
Jeweils 18 Uhr

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