"Heldenplatz": Bernhards Skandalstück wieder in Wien

Heldenplatz Bernhards Skandalstueck wieder
Heldenplatz Bernhards Skandalstueck wieder(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Mehr als 20 Jahre nach der umstrittenen Uraufführung ist Thomas Bernhards "Heldenplatz" wieder in Wien zu sehen. 1988 geriet es zum Theaterskandal – mit heftigen Protesten und einem Misthaufen vor der Burg.

Die Uraufführung von Thomas Bernhards "Heldenplatz" 1988 war ein einzigartiger Theaterskandal: Noch bevor das Stück gezeigt wurde, gab es Proteste und politische Diskussionen um das Stück über einen jüdischen Gelehrten, der kurz vor seiner neuerlichen Emigration Selbstmord begeht. Ab Donnerstag ist "Heldenplatz" in einer Neuinszenierung am Theater in der Josefstadt zu sehen. Philipp Tiedemann, einst von Claus Peymann "entdeckt", inszeniert das Stück. Er hat bereits mit einer Reihe von Aufführungen gezeigt, dass es durchaus interessante Lesarten Thomas Bernhards jenseits der Peymann'schen Uraufführungen gibt.

Gerade bei "Heldenplatz" dürfte 22 Jahre nach der Uraufführung noch vieles zu entdecken sein, zumal damals die Debatte um einige Textstellen die tiefere Beschäftigung mit dem Stück behindert hatte. Burgtheaterdirektor Claus Peymann hatte die Uraufführung für den 14. Oktober 1988, dem 100. Geburtstag des Wiener Burgtheaters, geplant.

Auszüge aus dem Text provozierten Skandal

Der Text war unter Verschluss, Kritikerin Sigrid Löffler hatte ihn sich dennoch besorgen können. Mitte September waren Auszüge im "Profil" zu lesen: "Österreich selbst ist nichts als eine Bühne / auf der alles verlottert und vermodert und verkommen ist / eine in sich selber verhasste Statisterie / von sechseinhalb Millionen Alleingelassenen / sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige", heißt es an einer Stelle.

"Österreich, 6,5 Millionen Debile!" titelte die "Kronen Zeitung" am 7. Oktober zu "Bernhards Skandalstück". Zwei Tage später legte das Blatt die Schlagzeile "Steuerzahler soll für Österreich-Besudelung auch noch bezahlen!" nach, ehe Herausgeber Hans Dichand als "Cato" selbst zur Feder griff und darüber sinnierte, dass in Österreich die Sonne unterzugehen drohe, "wenn wir Österreicher uns diese unflätigen Beleidigungen von Peymann und Bernhard gefallen lassen".

Österreichs Politik fühlte sich beleidigt

Die Politik spielte mit anstatt zu beruhigen: Der damaligen Vizekanzler Alois Mock (ÖVP) sah nicht ein, weshalb "eine globale Beschimpfung Österreichs auch noch mit Steuergeldern finanziert wird". Ex-Kanzler Bruno Kreisky ("Das darf man sich nicht gefallen lassen!") meldete sich ebenso zu Wort wie Bundespräsident Kurt Waldheim ("eine grobe Beleidigung des österreichischen Volkes"). Der damalige FPÖ-Bundesparteiobmann Jörg Haider zitierte Karl Kraus: "Hinaus mit diesem Schuft aus Wien."

Niederösterreichs Landeshauptmann Siegfried Ludwig (ÖVP) sprachen sich für ein Verbot der Aufführung aus, die Vereinten Grünen Österreichs forderten die Absetzung von Peymann als Direktor. Unterrichtsministerin Hilde Hawlicek (SPÖ) hielt dagegen und erklärte, was am Burgtheater aufgeführt werde, sei "Sache des Direktors", und es werde "keine Zensur" geben.

Burgtheater in Flammen

Die Diskussionen in den Medien wurden immer heftiger. Im Feuilleton des "Standard" rief der damalige Ressortleiter (und spätere FP-Politiker) Peter Sichrovsky unter Verweis auf das Fassbinder-Stück "Die Stadt, der Müll und der Tod" indirekt zum Sturm der Bühne auf, die "Kronen Zeitung" veröffentlichte am Tag der Premiere ein Inserat mit einer Fotomontage, die das Burgtheater in Flammen zeigte: "Uns ist nichts zu heiß!".

Dies alles konnte die Uraufführung des Stückes am 4. November 1988 nicht verhindern. Suhrkamp-Verlagsschef Siegfried Unseld erinnerte sich in seiner "Chronik" daran: "Als Ulla und ich an der Burg ankommen eine riesige Menschenmenge und Leute der Rechten, die Mist abladen wollen. Im Kartenraum stauen sich Leute, die noch Karten haben wollen. Die Aufführung findet unter Polizeischutz statt."

Bernhard starb kurz nach dem Theaterskandal

Das Burgtheater war ausverkauft, das Publikum reagierte mehrheitlich mit Begeisterung. In der Folge wurde aus dem "größten Theaterskandal Österreichs" eine der erfolgreichsten Produktionen des Burgtheaters, ein Kult-Stück, das 120 Aufführungen erlebte und Hauptdarsteller Wolfgang Gasser die Kainz-Medaille eintrug. Thomas Bernhard starb nur wenige Monate nach der Premiere am 12. Februar 1989 in Gmunden.

"Heldenplatz" 2010: Wie "Warten auf Godot"

Tiedemann sieht "Heldenplatz" als "eine weitergeführte Form von 'Warten auf Godot'", sagte der Regisseur in einem "Presse"-Interview. "Wir sehen Menschen, die wie in einem verbalisierten Hamsterrad glauben, sich unaufhörlich motorisch bewegen zu müssen, sie kommen aber keinen Schritt voran."

Die Hauptlast des Textes trägt die Figur des Robert Schuster. Nach dem Begräbnis seines Bruders Josef, der, sich von ständigen "Sieg Heil"-Rufen verfolgt glaubend, sich noch vor seiner neuerlichen Emigration aus dem Fenster gestürzt hat, räsoniert der herzkranke "Professor Robert" nun stellvertretend für jenen über den politischen Zustand Österreichs 50 Jahre nach dem "Anschluss". Die Rolle wurde zum Karrierehöhepunkt von Wolfgang Gasser. Drei Jahre nach dessen Tod spielt nun Michael Degen diese große Bernhard-Figur.

Zum Stück

Thomas Bernhard: "Heldenplatz"

Regie: Philip Tiedemann

Mit Michael Degen - Robert Schuster, Sona MacDonald - Anna, Elfriede Schüsseleder - Olga, Siegfried Walther - Lukas, Gertraud Jesserer - Hedwig, Marianne Nentwich - Frau Zittel

Bühnenbild: Etienne Pluss
Kostüme: Stephan von Wedel
Musik: Ole Schmidt.
Theater in der Josefstadt
Premiere: 9. September, 19.30 Uhr
Weitere Vorstellungen: 10. bis 15.9.
Karten: 01 / 42700-300 oder www.josefstadt.org

(APA)

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