Tumulte bei Jelinek-Stück "Rechnitz" in Düsseldorf

Tumulte JelinekStueck Rechnitz Duesseldorf
Tumulte JelinekStueck Rechnitz Duesseldorf(c) EPA (TOBIAS HASE)
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Mit heftigen Protesten reagierte das Publikum bei Jelineks Stück über ein NS-Massaker. Ein Zuschauer bespuckte gar eine Theater-Mitarbeiterin. Nun gibt es vor jeder Vorstellung eine Einführung.

Das Stück "Rechnitz (Der Würgeengel)" von Elfriede Jelinek über ein Nazi-Massaker an 180 Juden hat am Düsseldorfer Schauspielhaus Tumulte ausgelöst. Das Publikum reagierte an zwei Abenden mit heftigen Protesten auf das Stück der Literaturnobelpreisträgerin, ein Zuschauer bespuckte sogar eine Mitarbeiterin.

Das Theater zog Konsequenzen und bietet jetzt vor jeder Vorstellung eine Einführung in das Werk an. Dennoch hätten auch am Montagabend wieder rund 30 Zuschauer in der Pause das Theater verlassen, sagte eine Schauspielhaus-Sprecherin am Dienstag. Umstritten ist vor allem ein das Ende: In der Schlussszene lässt Jelinek den "Kannibalen von Rotenburg" einen vier Minuten langen Dialog mit seinem Opfer halten.

Der "Kannibale von Rotenburg", der damals 39 Jahre alte Armin Meiwes, hatte am 10. März 2001 einen Ingenieur aus Berlin mit dessen Einverständnis entmannt, getötet und Teile der Leiche gegessen. Er wurde im Mai 2006 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Massengrab bis heute nicht gefunden

In dem Stück hat Jelinek das Massaker von 1945 im burgenländischen Rechnitz verarbeitet, bei dem unmittelbar vor dem Eintreffen der Roten Armee auf dem Anwesen der Gräfin Margit von Batthyany 180 jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn von SS-Männern und Gästen der Schlossherrin umgebracht wurden. Das Massengrab wurde bis heute nicht gefunden, die Mörder nie belangt. Schlossherrin war die Gräfin Margit Batthyány, eine Enkelin des Stahlmagnaten August Thyssen.

Die Uraufführung von "Rechnitz" war vor zwei Jahren in den Münchner Kammerspielen begeistert gefeiert worden. Der Schweizer Regisseur Jossi Wieler, der langjährige Erfahrung mit den sprachlawinenartigen Jelinek-Texten hat, hatte den Botenbericht über das nie aufgeklärte SS-Massaker umsichtig inszeniert. In der Münchner Inszenierung war die besonders umstrittene Szene seinerzeit gestrichen worden.

"Kann einen Amoklauf nicht gelöst beklatschen"

Die fast dreistündige Düsseldorfer Bühnenfassung von Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer war für das Publikum am Rhein dagegen ein Schock. Schmidt-Rahmer sagte der "Rheinischen Post" (Dienstag), der Kannibalentext am Ende sei "ganz bewusst gesetzt, wie ein Weckruf, der den Widerstand geradezu provoziert". Und: "In München konnte man am Ende nett klatschen. Das wollte ich vermeiden", sagte Schmidt-Rahmer. "Man kann einen literarischen Amoklauf nicht gelöst beklatschen."

Schmidt-Rahmer setze eigene Akzente in seiner Bühnenfassung, indem er den Zynismus Jelineks noch unterstreiche, sagte sagte Schauspielhaus-Sprecherin Manuela Schürmann. So sei eine Szene als populistische History-Fernsehsendung gestaltet, in einer anderen werden die Grabungen nach den Opfern des Massakers dargestellt. Die Zuschauerreaktionen auf der Homepage des Schauspielhauses reichten von "großartig" über "verstörend und verunsichernd" bis zu "aufreißerisch" und "brutal".

Jelinek hatte für "Rechnitz" den Mülheimer Dramatikerpreis gewonnen. Bei den Wiener Festwochen wurde die Kammerspiele-Inszenierung dieses Jahr gefeiert.

(APA)

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