Annemarie Düringer: „Mein Beau war der Hans Holt“

Annemarie Dueringer bdquoMein Beau
Annemarie Dueringer bdquoMein Beau(c) FABRY Clemens
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Annemarie Düringer wurde durch das Burgtheater geprägt und hat es geprägt. Eine Zwischenbilanz nach mehr als 60 Jahren auf der Bühne und im Film.

Die Doyenne des Burgtheaters taxiert das Büro des Direktors, das ihr für dieses Gespräch zur Verfügung gestellt wird. „Ah, so schaut es jetzt aus“, sagt Annemarie Düringer: „Das ist jetzt schon der zehnte Direktor für mich.“ 1949 wurde sie Ensemblemitglied. Walter Felsenstein führte damals oft Regie. Man spielte im Ronacher, das Haupthaus war noch eine Kriegsruine. „Ich kam direkt aus dem Reinhardt-Seminar und hatte gleich einen Vertrag. Bald aber hat mich Ernst Marischka zum Wiener Film geholt. Ich spielte 1953 in Der Feldherrenhügel mit. Da waren alle Komiker dabei. Auch der Hörbiger – nicht der Herr Wessely, sondern der Paul. Mein Beau war der Hans Holt. In den musste ich mich verlieben.“

Eine gute Zeit? Eine noch schlimme Zeit? „Es war doch noch alles sehr kaputt, abgewohnt, zerbombt.“ Wieso hat sich die Tochter einer Schweizer Kaufmannsfamilie aus Bern für Wien entschieden und nicht für Paris, wo sie ihre Ausbildung als Schauspielerin begann? „Nach dem Krieg gingen die Grenzen auf, und es war der Wunsch da, wieder aus der Schweiz rauszukommen. Ich durfte nach Paris. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schön das für mich war! Das Rezitieren von Racine und Molière fand ich herrlich. Ich bin hineingeschlittert. Mit dem Schauspiel hatte ich zuvor nämlich gar nichts zu tun. Aber ein Bekannter sagte mir, dass ich ans Theater gehöre. Und von dem Moment an war ich Schauspielerin. Das hat mein Leben erfüllt. Ich hatte gar keine Zeit, etwas anderes zu sein. Mein Pariser Lehrer René Simon riet mir, in meine Sprache zurückzukehren. Die deutsche Sprache war für mich doch wie eine Haut. So bin ich nach Wien gekommen, durch Zufall. Meine Eltern waren besorgt. Immerhin waren damals die Russen in Wien. Ich war aber gut behütet in der englischen Zone in Hietzing.“

Der Scheck aus Hollywood

Sie habe stets die richtigen Ratschläge bekommen: „Ich habe einfach immer Glück gehabt. Sogar einen Hollywood-Vertrag habe ich bekommen. Ich konnte dabei in New York leben, bekam regelmäßig meinen Scheck und lebte in einer kleinen Wohnung in Manhattan, die mir von Greta Keller überlassen wurde. Man hatte einen großartigen Blick auf die Stadt. Solch ein Lichtermeer! Und ich war an der Strasberg-Schule, habe dann sogar bei Martha Graham getanzt.“ Auch für den Broadway war sie im Gespräch, in einer Rolle neben Maximilian Schell, „aber daraus wurde nichts, und das war auch gut so, denn das Stück wurde nach eineinhalb Aufführungen abgesetzt.“

Dann kam aber wieder Wien, kamen große Bühnen in Deutschland, große Rollen und Erfolge, von Aischylos bis Thomas Bernhard, zuletzt in „Elisabeth II.“ und „Heldenplatz“.„Ich war bei Fritz Kortner am Berliner Schillertheater. Das Glück bestand darin, mit guten Leuten zu arbeiten. Felsenstein, der war jemand, so wie Kortner, Zadek. Aber auch Rainer Werner Fassbinder war nicht unbedeutend. Ich werde nie vergessen, wie der zum Set gekommen ist. Er hat nicht viel geredet, nur geschaut. Dann hat er dem Xaver Schwarzenberger etwas gesagt, ihn instruiert und ist verschwunden. Ich habe gar nicht viel Anleitung bekommen, er hat mich einfach spielen lassen.“

Die Wessely? Völlig unkompliziert!

Um gut zu sein, benötige sie Frieden und gute Laune, gesteht Düringer. Wie aber war die Arbeit mit Stars, mit Paula Wessely zum Beispiel? „Das war völlig unkompliziert. Sie hatte ihre Töne, die man schon kannte. Man beobachtet, will nur nicht stören, weil man selbst auch nicht gestört werden will. Ich habe eigentlich nie einen Krach gehabt. Mein Ruf war schlechter, als ich bin. Als ich mit dem großen Fritz Muliar ,Der Besuch der alten Dame‘ spielte, hieß es in der Kantine, da werde es bald krachen. Nix war. Wir haben eine Hetz gehabt, wir haben gut miteinander gespielt.“ Dieses Drama von Dürrenmatt wurde zu einem ihrer Lieblingsstücke. „Auch ,Ein Gespräch im Hause Stein‘von Peter Hacks habe ich geliebt; ich hatte einen dreiaktigen Monolog mit einer Stoffpuppe. Ich konnte machen, was ich wollte.“

Die Rolle der Frau Zittel in ,Heldenplatz‘ (von Claus Peymann inszeniert) schätzt sie ebenfalls: „Das ist ein Stück für sich, in einem kostbaren Drama. Bernhards Deutsch lernt sich auch leicht.“ Unter Peymann, der mit einem Wagen voll eigener Leute kam, hätten viele gelitten. „Wir hatten plötzlich nichts zu tun. Aber er ist ein guter Mann und war damals wohl notwendig fürs Burgtheater, ein Nesselhemd für dieses Haus. Wir waren zuvor gewohnt, mit Seidenhandschuhen angefasst zu werden.“ Und wie begegnen die Wiener ihren großen Schauspielern? „Die Wiener sind nicht penetrant. Sie stören ihre Schauspieler nicht und bleiben meist auf Distanz.“ Welche Rollen hat Düringer versäumt? „Ach, viele! Wir hatten eine Zeit lang sehr viele gute Frauen. Es gibt aber viel mehr gute Rollen für Männer. Wir haben alle geweint und geschimpft, das gehört dazu. Theater ist für mich eine Sucht.“

Auf einen Blick

Seit 1949 ist Annemarie Düringer Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters. 1963 wurde sie Kammerschauspielerin, 2001 Doyenne der Burg. Die Tochter aus großbürgerlichem Haus kam am 26. 11. 1925 in Arlesheim bei Basel auf die Welt. Sie stand mit den Großen ihrer Zeit auf der Bühne und war auch im Film erfolgreich, sie erhielt einen Hollywood-Vertrag. Seit 2000 ist Düringer Trägerin des Alma-Seidler-Rings, der die beste deutschsprachige Schauspielerin ehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2010)

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