"Wiener Blut" als eher platte Reality-Show

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Nur anfangs witzig. Später wird die Aufführung immer plakativer. Politisches Theater müsste intelligenter, subtiler sein. Hubsi Kramar inszeniert eine Migrantenkompanie, die ihren Integrationswillen beweisen muss.

Abschiebung, Arbeitslosigkeit oder Subvention? Angelehnt an Christoph Schlingensiefs Performance mit Asylwerbern im Container bei den Wiener Festwochen 2000 sind im Drei-Raum-Anatomie-Theater Ausländer beim Ringen um Einbürgerung zu sehen: Sie müssen die Johann-Strauß-Operette „Wiener Blut“ aufführen und dabei möglichst authentisch wirken, angeleitet von Asli Kislal und Hubsi Kramar. Die Produktion ist ein etwas verspäteter Angriff auf die FPÖ-Kampagne zur Wien-Wahl.

Wir schreiben das Jahr 2015, Österreich ist monochrom freiheitlich. Im ORF werden nur mehr Reden des Kanzlers verlesen, aus dem Ausland: „Keine Neuigkeiten“. Ein Computer überwacht streng die Fortschritte der Fremden bei der Aneignung heimischen Kulturgutes, ein Barometer zeichnet sie auf: Es zeigt meist auf Abschiebung.

Souveräne multikulturelle Akteure

Die Operette ist vor allem ein Vorwand für Kabarett: In einer TV-Diskussion debattieren ein Vampir, ein Blutkörperchen, ein Bluter, eine Verrückte, die den Rhesus-Faktor abschaffen will, weil wir nicht vom Affen abstammen, oder eine Roma-Mutter, über den ganz besonderen Saft. Eine Krankenschwester ereifert sich über Ausländer, die nach heimischen Blutkonserven gieren. Ein Schwarzafrikaner muss in einem Käfig mit der Aufschrift Völkerschau schuhplatteln. Schließlich stürzen sich die Migranten wie Vampire auf das Publikum. Am Schluss ist das Land trotzdem ausländerfrei, doch, oh Schreck, jetzt fehlen Feindbilder...

Die Aufführung dauert mit Pause ca. 90 Minuten. Anfangs ist sie amüsant, später wird sie immer plakativer. Die multikulturellen Akteure dieser Koproduktion mit dem Verein „daskunst“ sind souverän und professionell, sie singen, tanzen, spielen.

Politisches Theater heute müsste dennoch intelligenter, subtiler, ironischer sein. Die Talente der Künstler hätten dafür reichlich Inspiration geboten: Der Kongolese Patrick Bongola etwa ist Frontman der Hiphop-Band Tres Monos, die japanische Sopranistin Kaoko Amano engagiert sich für Neue Musik, der schwarze Brite Blair Darby ist Tänzer, Jazz-Choreograf. Was hätte man statt bloß TV-Formate zu parodieren mit echtem Erfindungsgeist aus diesem Ensemble machen können, ganz ohne den abgelutschten Slogan „Wiener Blut“. bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2011)

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