Grantscherben: Gregor Seberg schimpft auf Österreich

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Im ersten Solo spielt der bekannte Schauspieler sich und seinen Zwillingsbruder. Sebergs Stärke ist die Interaktion mit den Zuschauern, er hänselt, höhnt und lobt sie.

Josef Hader definierte einst, dass Kabarett für Leute sei, die zwischen Kasperltheater und Hochkultur stecken geblieben sind. Gregor Seberg baut in sein Kabarett „Oh du mein Österreich“ Elemente des Kasperltheaters ein: Er spielt sich selbst und seinen Zwilling, Georg, den er jahrzehntelang auf einer steirischen Alm eingesperrt hat. Georg, der Naive, konnte fliehen – nun sucht ihn Gregor, der Erboste. „War er schon da?“, fragt Seberg das Publikum im Vindobona, so wie Pezi nach Kasperl fragt. Bloß dreht der Kabarettist den Spieß um und bezichtigt die Antwortenden als Denunzianten.

Sebergs Stärke ist die Interaktion mit den Zuschauern, er hänselt, höhnt und lobt sie. Das reißt ihn oft aus der (von Nikolaus Büchel inszenierten) Geschichte heraus: Im rot-weiß-roten Bühnenbild berichtet der geflohene Bruder, er habe Österreich nur per ORF beobachtet – und erkennt, dass wir eine „Beobachternation“ sind, die sich alles von diversen Politikern gefallen lässt: Neugebauer, Grasser, Westenthaler, Fekter u.a., sie attackiert er aus der Sicht des Naivlings und des Grantigen.

Trotzdem will der verschollene Bruder in Österreich um Asyl ansuchen: So beginnt eine Reise durch die neun Bundesländer, in der Seberg seine Liebe zur Imitation auslebt. Die Klischees bringt er so sehr auf den Punkt, dass sich anwesende „Provinzler“ bei der Darstellung ihres Landes ertappt fühlen und bei der anderer Länder dafür besonders laut lachen. Am besten, so Seberg, sollte jeder Österreicher sein eigenes Bundesland haben: Dann wäre jeder Landeshauptmann. Und für die Chancengleichheit sollen die Kinder in Mathematik Steuerbetrug lernen, in Deutsch NLP und in Turnen Bauchstich. Da fehlt nur noch eine Antihymne, und die kommt als Zugabe. Kein Programm für naive Patrioten. vers

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2011)

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