"Die Kommune": Noch ein Gott des Gemetzels

Kommune Noch Gott Gemetzels
Kommune Noch Gott Gemetzels(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
  • Drucken

Reichlich Wortgeklingel und Stöhnen gab es am Samstag im Akademietheater, bei der Uraufführung von Thomas Vinterbergs Drama "Die Kommune". Feine Schauspielkunst veredelte sie.

Kosmopolitismus, Autarkie, Bedürfnislosigkeit und freie Rede predigte der antike Philosoph Diogenes. Das passt zum Drama „Die Kommune“ von Thomas Vinterberg („Das Fest“) und Mogens Rukov, das Samstag im Akademietheater uraufgeführt wurde. Vinterberg hat auch inszeniert. Diogenes kommt in seinem Text kurz vor, aber er ist mehr der Schnittlauch auf einer schmackhaften, aber dünnen Suppe. Das Wühlen in der Beziehungskiste erlebte eine Blüte in den 1960er-, 1970er-Jahren („Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“), heute blickt man mit Nostalgie auf die damalige Zeit zurück, erfreut sich vor allem an der Musik: „I wanna know what love is!“ Genau. Ein Evergreen.

An Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“ erinnert „Die Kommune“ ebenso wie an Marie Kreutzers Post-Hippie-Film „Die Vaterlosen“. In einem luftigen Landhaus spielt Vinterbergs Stück. Architekt Erek (Joachim Meyerhoff) hat die Villa von seinem autoritären Vater geerbt. Er möchte alles anders machen, in Wahrheit ist er genauso wie der Papa. Er quartiert seine Geliebte Emma (Adina Vetter) bei sich ein und will die Kommunarden hinauswerfen. Am Ende allerdings ist es seine langjährige Gefährtin Anna, die ausziehen muss.

Zwei Stunden ohne Pause dauert die Aufführung. Sie ist teils kurzweilig und witzig, teils aber plätschert das Geschwätz nur so vor sich hin. Die Burg spielt Edel-Boulevard mit Grips – und hat dafür das Allerfeinste aufgeboten. Das Ambiente wurde getreu nachgestellt, von der Bühne und den Kostümen (Stefan Mayer) bis zur Inszenierung selbst: Dietmar König und Alexandra Henkel sind das ungleiche Paar Steffen und Ditte, er lebt so vor sich hin, begütigt, sie ist Gynäkologin und eine „Zange“. Einmal tanzt Steffen in der Küche exakt so, wie man es in den Diskotheken der Sechziger, Siebziger tat. Die Genauigkeit, mit der beim Film in punkto Authentizität gearbeitet wird – im Theater wird oft mit Lust verfremdet –, hat etwas Museales. Das Publikum fühlte sich sichtlich wohl in diesem Hippie-Museum.

Meyerhoffs Erek, der nicht nur mit Bauten experimentiert, sondern auch mit Lebensstilen – nervös, ungeduldig, autoritär, sexbesessen, egozentrisch – ist natürlich etwas ganz Besonders. Aber auch die anderen Akteure sind großartig. Elisa Plüss spielt die 15-jährige Tochter von Erek und Anna, Freja, die von den Erwachsenen als Schiedsrichterin aufgerufen, völlig überfordert das Geschirr zerschlägt – sie ist wohl ein Alter Ego Vinterbergs, der, selbst in einer Kommune aufgewachsen, unter den Spannungen der Erwachsenen litt – wie das Kinder auch heute oft tun. Fritsch zeigt eine große, dramatische Seele als Anna. Mit dem gemütlichen Ole, der seinen Roman schreiben will, meistens aber bloß Bier in sich hineinschüttet, teilt Anna den Hang zum Feuerteufel.

„Schrumpfende Eier und Beckenspechte“

Ole verbrennt, was am Boden herumliegt, Anna die Kleider ihrer Rivalin. Adina Vetter glänzt wahrhaft berückend als wunderschöne, verwöhnt-zickige Blondine Emma. Dorothee Hartinger gibt die nymphomanische Gesundheitsfanatikerin Mona: „Gibt es keinen Hollundertee ohne Gerbsäure mehr?“
Die Regensburgerin Hartinger, die einst Peter Steins Gretchen war, spricht breiten bayerischen Dialekt, der teilweise kaum zu verstehen ist – wie überhaupt immer wieder Passagen des höchstens mittelmäßig originellen Textes, der sinnigerweise im Programm abgedruckt ist. Lieber hätte man eine Kulturgeschichte der Kommune gelesen. Es wird viel geliebt, gestritten, gestöhnt – einmal minutenlang aus dem Off. Fabian Krüger spielt den Franzosen Virgil, der kocht, auf der Gitarre klimpert und Frivoles über schrumpfende Eier und pochende Beckenspechte dichtet. Dem Ensemble ist anzumerken, dass es mit reichlich Improvisation diese charmante Petitesse genießt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.