Burgtheater: Romeo und Julia zwischen Poesie und Zote

(c) Teresa Zoetl
  • Drucken

David Bösch legt viel Romantik in seine Shakespeare-Inszenierung, die Samstag Premiere hat. Er spricht über das Brüchige der Liebe. An Katharsis und Identifikation glaubt er eher als an die moralische Anstalt.

Die Presse: Sie haben Shakespeare, Sophokles, Büchner, Wedekind inszeniert – und sogar den „Urfaust“ in Südkorea. 33 Jahre und schon fast alles für die Unsterblichkeit getan, könnte man sagen, was kommt die nächsten 33 Jahre? Werden Sie Polarforscher?

David Bösch: Nein, da bleibe ich lieber beim Inszenieren, das ist der Polarforschung ja nicht unähnlich. Ich möchte mit 40 Jahren noch einmal „Romeo und Julia“ machen, dann mit 60 und mit Ende 70. Mit Ende 70 bin ich dann so weit, dass ich die beiden vielleicht überleben lasse. Und dann wünsche ich mir, dass sonst auch noch was passiert neben dem Theater in meinem Leben...

Die große Liebe wie bei „Romeo und Julia“?

Die große Liebe kommt immer wieder.

Aber einmal setzt man sich zur Ruhe.

Allerdings nur mit der großen Liebe!

Bei Ihnen ist es noch nicht so weit?

Nein. Es gab große Lieben, aber die mussten länger anhalten als jene von „Romeo und Julia“. Deswegen sind sie dann vielleicht auch verloren gegangen.

Nach der großen Liebe geht es in „Romeo und Julia“ blitzartig bergab.

Ja. Das Stück ist sehr geschwind. Romeo und Julia werden von den Ereignissen überrollt, sie heiraten, wie man das heute in Las Vegas tun würde, und dann passieren ganz plötzlich viele Dinge, die sie aneinanderketten. Mein Vater hat mir gesagt, auf so eine Achterbahn muss man gehen. Das Blut muss in Wallung geraten, wenn man liebt. Die eruptiven emotionalen Zustände binden Romeo und Julia immer mehr aneinander.

Wie ist das bei Ihren Eltern ausgegangen?

Die sind immer noch zusammen und immer noch auf der Achterbahn.

Sie haben „Romeo und Julia“ 2004 in Bochum inszeniert, Matthias Hartmann hat die Aufführung nach Zürich mitgenommen – und nun gibt es ein Remake im Burgtheater. Hartmann hat die Abonnenten gefragt, ob sie das Stück sehen wollen – und sie haben dafür gestimmt. Wird das nicht trotzdem mit der Zeit langweilig?

Nein. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion von einem 26-jährigen und einem 33-jährigen Regisseur – und es gibt ja auch bis auf zwei Rollen eine neue Besetzung. Ich finde das sehr reizvoll. Mit 26 sieht man in puncto Naivität, Leidenschaftlichkeit und Unbedarftheit ein bisschen anders auf den Stoff als mit 33. Diesmal ist der Blick auf die ältere Generation intensiver – durch die Besetzung mit Schauspielern wie Ignaz Kirchner als alter Capulet, Branko Samarovski als Bruder Lorenzo oder Brigitte Furgler als Amme.

Sie sind ein Vertreter der jüngeren Generation am Theater. Was machen Sie anders als die 68er? Glauben Sie ans Theater als moralische Anstalt?

Ich glaube eher an Katharsis, an die Kraft von Geschichten, vorgetragen von Schauspielern – und an Identifikation. Ich glaube auch an Romantik. „Romeo und Julia“ ist nicht in erster Linie die Geschichte von Schwertgefuchtel, sondern dieses Stück spielt in einem metaphorischen Raum, in dem die Liebe der beiden auf Widerstände stößt, erblüht und explodiert.

Gibt es Musik, Video?

Kein Video, wenig Musik. Es gibt drei Melodien, darunter das Leitmotiv von „Romeo und Julia“ von der Weilheimer Independent-Band Gruppe Notwist. Es ist eine relativ klassische Inszenierung, die Shakespeare ernst nimmt. Wir spielen die Übersetzung von Thomas Brasch, die sehr modern und griffig ist – und zum Teil auch sehr zotig, Shakespeare gemäß. Das Schöne an ihm ist, dass er die Poesie mit der Zote verbindet.

Sie haben noch eine zweite Inszenierung diese Saison, im Akademietheater, Ibsens „Gespenster“, die Premiere ist im März 2012. Das ist jetzt ganz etwas anderes geworden als der geplante „Talisman“ von Nestroy.

Sarah Viktoria Frick ist schwanger, sie sollte die Salome Pockerl im „Talisman“ spielen, also haben wir diese Produktion verschoben. Ich finde „Gespenster“ u.a. interessant wegen dieser Enge und Eingeschlossenheit in der Familie. Was macht die Familie mit einem Menschen? Oswald hat eine starke Bindung an die Mutter, der Vater ist abwesend. Er geht in die Welt hinaus, kehrt mit Wunden zurück. Das finde ich spannend.

Möchten Sie einmal in die Hall of Fame der Regisseure kommen wie Peter Zadek, Peter Stein?

Dazu würde ich nicht nein sagen! Aber ich möchte niemanden vom Sockel stoßen. Ich bin z.B. ein großer Fan von Luc Bondy oder George Tabori. Ich habe auch dieses Buch „Peymann von A bis Z“ gelesen. Das muss ja toll gewesen sein, was er in Wien gemacht hat. Wenn da nur die Hälfte stimmt und die andere Hälfte erfunden ist, ist sie großartig erfunden. Man lernt so viel aus diesem Buch, wie man im Theater überleben kann, auch mit einer Portion Chuzpe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.