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Tanita Tikaram begeisterte mit schmutzigem Glamour

Tanita Tikaram begeisterte schmutzigem
Tanita Tikaram begeisterte schmutzigem(c) EPA (GEORGIOS KEFALAS)
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Verzweiflung als Weltsprache: Die von vielen als One-Hit-Wonder abgestempelte Sängerin Tanita Tikaram zeigte beim umjubelten Konzert im Porgy & Bess ihre Vielschichtigkeit.

Oberflächlich betrachtet könnte man ihre Kunst mit jener von Suzanne Vega oder Tracy Chapman vergleichen. Da war lange Zeit diese Liebe zu wohlarrangierten Melodien, die sanft dahinglitten und auf den ersten Blick kein Wässerchen trübten. Auf ihrer aktuellen Tournee, die sie nun auch ins Wiener Porgy & Bess führte, lässt sich Tanita Tikaram geschmackssicher von Kontrabass, Klarinette, Saxofon und Akustikgitarre begleiten, es kam sogar eine Flöte ins Spiel.

Das löste zuweilen Assoziationen mit Van Morrisons Meisterwerk „Astral Weeks“ aus. Mit erstaunlich dunkler Stimme lockte Tikaram ins Labyrinth ihrer Gefühlswelt, die durchaus nicht vor Entladungen von Hass und Begehren haltmachte. „Alienation is nice“ meinte sie gegen Ende, als sie zum Jubel der Fans ihren größten Hit „Twist In My Sobriety“ anstimmte. Der sanfte Puls, der diesen Song einst trug, ist entschwunden. Stattdessen dominiert eine Art schmutzigen Glamours, der die berühmte Zeile „Look my eyes are just holograms“ spürbar verdunkelte. Was früher als harmloses Liedchen galt, wirkte plötzlich erstaunlich abgründig.

Nach siebenjähriger Absenz hat Tikaram heuer mit „Can't Go Back“ wieder ein Album veröffentlicht, eines, auf dem sie versuchte, sich in einer etwas optimistischeren Grundhaltung zu üben. Das führte zu teilweise wirklich seichten Songs wie dem nichtssagenden Schunkler „Rock'n'Roll“, zu dem das Publikum bei ihrem Wiener Auftritt dann auch prompt zeltfestmäßig paschte. Manchem mag dieser Versuch, sich aus der Depression zu stehlen, heldenhaft vorgekommen sein. Wie das Konzert letztlich eindrucksvoll bewies, waren dann aber doch die Szenarien der Ausweglosigkeit das beste Ambiente für Tikarams herbe Stimme. „There's a blemish in the sky, that I'm always falling through“, sang sie mit sanfter Unerbittlichkeit. Ihre Domäne ist ganz offensichtlich, Verzweiflung als eine Art Weltsprache und ihre Fans als eine dem Dunkel zuneigende Solidargemeinschaft zu behandeln.


Sex als Erlösung. So verlangsamte sie Lieder wie „World Outside Your Window“, um die darin enthaltene Verheißung, dass Sex eine Form von Erlösung sein könnte, besonders innig auszukosten. An anderer Stelle konzentrierte sie sich hingegen eher auf Selbstzerfleischung. Zu lange schon hat Tikaram gegen Verluste und Mängel angesungen, um sich jetzt mit deren Verschwinden zufriedengeben zu können. Stattdessen hat sie es sich längst in der Klage wohnlich gemacht. Besonders eindrucksvoll zeigte sie das im bitteren „My Love“, einer Rückschau auf ein „Délire à deux“, eine leidenschaftliche Allianz außerhalb der kausalen Welt.

Sanftheit darf eben nicht automatisch mit Harmlosigkeit gleichgesetzt werden. Auch „Play Me Again“ tändelte mit dem Abgrund. Zwischen hingebungsvoll gesungenen Worten holte Tikaram in einem kurzen Augenblick etwas aus ihrer schmalen Brust hervor, das einem Seufzer durchaus ähnelte. Um so überraschender die Zugabe, als Tikaram Peggy Lees alten Klassiker „I Can't Give You Anything But Love“ ausgelassen swingend zelebrierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2012)

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