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Bryan Ferry führt zurück ins „Jazz Age“ – und bleibt stumm

BRYAN FERRY
BRYAN FERRYAPA/GEORG HOCHMUTH
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Der große alte Popdandy präsentiert auf „The Jazz Age“ Klassiker von Roxy Music im Swing-Gewand. Eine konsequente Fortsetzung des Retrofuturismus dieser Band. Das passt erstaunlich gut.

Dass sich Bryan Ferry mit seinem neuen Album „The Jazz Age“ leichtfertig an einen neuen Trend angehängt hätte, kann man ihm nicht vorwerfen. Zum einen hat der Swing mit seiner grellen Art, sich auszudrücken, kurioserweise in Krisenzeiten immer wieder Saison, zum anderen war hemmungslose Nostalgie schon von Anbeginn konstituierender Bestandteil des Retrofuturismus seiner Stammband Roxy Music.

Es wäre auch falsch, anzunehmen, dass Brian Eno die alleinige fortschrittliche Kraft dieser Band gewesen ist. Schon der Ersatz für den nach dem Album „For Your Pleasure“ (1973) aus der Band ausgestiegenen, schillernden Paradiesvogel Eno, der damals erst 19-jährige Eddie Jobson, war alles andere als konventionell. Zudem waren Roxy-Music-Alben wie „Country Life“ und „Siren“ beileibe keine restaurativen Projekte. Vielmehr gelüstete es den heute 67-jährigen Bryan Ferry immer schon gleichermaßen nach verstörender Zukunft und prunkvoller Vergangenheit.

„The Jazz Age“ mag für Ferry-Fans verstörend sein, weil der Meister, anders als auf seinem großartigen Jazztrip von 1999, dem Album „As Time Goes By“, nicht eine Silbe singt. Schmiegte sich damals seine wehmütige Stimme elegant an Klassiker des frühen Jazz, so geht er jetzt den umgekehrten Weg. Nun müssen sich die exzessiven Schleiftöne und die schrillen Vibratos von New-Orleans-Jazz und Swing im Wind der teils eher sperrigen Melodien Ferrys biegen. Genial arrangiert hat dies Colin Good. Dieser unscheinbare Mann ist nicht nur seit vielen Jahren Leiter eines Dreißigerjahre-Jazzorchesters namens Vile Bodies, sondern seit dem Album „As Time Goes By“ (1999) auch Pianist und Leader von Ferrys Tourband. Gemeinsam mit 14 Instrumentalisten hat er Liedern wie „Do the Strand“, „Love Is the Drug“ und „This Is Tomorrow“ schrillen Retrochic verliehen. Ferry selbst, der – wie viele bedeutende Songwriter – Musikinstrumente eher nur durchschnittlich spielt, hat es sich klugerweise verkniffen, hier ein wenig herumzudilettieren.

Er, der schon in jungen Jahren passionierter Jazzhörer in Newcastle im New-Orleans-Jazz-Club war, zog sich auf die Kommandobrücke zurück und überwachte wohlwollend, was da mit seinen Songs passierte. „Re-Imagination“ nennen Briten diese Form von Neuerfindung aus altem Material. Das ist nicht bloß ein Euphemismus. „The Bogus Man“ erweckt für Nachgeborene tatsächlich die Vorstellung, wie unmittelbar sinnenreich die „Jungle Sounds“ von Duke Ellingtons Cotton Club einst wohl auf Zeitgenossen gewirkt haben. Das Lebensgefühl, das dieser Jazz revoziert, ist nämlich gar nicht so weit weg vom die Konventionen sprengenden Lifestyle der Popmusiker der Siebzigerjahre. Konsequent eskapistisch führen die schrillen Texturen weg von den Debakeln an der Börse. Hier wie dort geht es um ozeanisch flutenden Hedonismus, überbordende Sexualität und dunkle Geheimnisse. Wie bei Woody Allen wird hier allzeit Modernes mithilfe alter Requisiten erzählt. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2012)

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