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Alan Parsons: "Wie Astronauten im All"

Alan Parsons Astronauten
Alan Parsons Astronauten(c) EPA (Montserrat T Diez)
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Parsons, Ingenieur für die Beatles und Pink Floyd, kommt am 22. März nach Wien. Mit der "Presse" sprach er über "Let It Be", "Dark Side of the Moon" und das Mischpult als Instrument.

Was klingt besser: analog oder digital?

Alan Parsons: Vor 20 Jahren hätte ich sicher geantwortet: Ich vermisse den warmen, analogen Sound. Aber der digitale Sound hat sich enorm verbessert.

Sie haben 1982 erstmals mit digitaler Aufnahmetechnik experimentiert. Wie war das?

Natürlich haben wir uns ein wenig wie Astronauten im All gefühlt. Ein Wahnsinn, wie sehr sich die digitale Technologie seither verändert hat! Am Anfang war es zum Beispiel nervenaufreibend, die einzelnen Stimmen richtig zusammenzustellen, da die Maschinen noch sehr langsam waren.

War die analoge Aufnahmeweise, mit der sie legendäre Alben wie Pink Floyds „Dark Side of the Moon“ einspielten, letztlich nicht doch abenteuerlicher?

Ja, man musste früher mehr Fantasie entwickeln, um gewisse Effekte zu erzielen. Aber Musik aufzunehmen war immer ein Abenteuer.

Tom Waits bezeichnete das Aufnehmen einmal als den Versuch, Geister zu fotografieren. Sehen Sie das nicht ganz anders?

Nicht unbedingt. Tom hat schon recht, es ist ein recht merkwürdiger Prozess. In der Rockmusik wird viel mit Tricks gearbeitet. Selbst bei den Livekonzerten spielt der Fake eine große Rolle.

Würden Sie das Mischpult als eigenständiges Instrument definieren?

Auf jeden Fall! Ich habe auch konventionelle Instrumente gespielt, aber es waren meine Fertigkeiten am Mischpult, mit denen ich bekannt wurde.

Mit Pink Floyd haben Sie Standards der Audiophilie gesetzt. Inzwischen ist der HiFi-Gedanke verschwunden – betrübt Sie das?

Natürlich. Was tut man nicht alles für einen spektakulären Sound – und dann hören die Leute die Musik auf ihren Telefonen! Die zweite negative Folge der an sich guten digitalen Technologie ist, dass so viele Menschen das Interesse verloren haben, ein ganzes Album zu hören. Als jemand, der mit Konzeptalben berühmt wurde, bekümmert mich das besonders.

Ihre Anfänge waren ja recht bescheiden. Sie hatten einen Job bei EMI, wo Sie Tonbänder kopierten. Ihr erster Auftrag außerhalb von EMI führte sie gleich in die Abbey Road Studios zu den Beatles. Waren Sie nervös?

Ich bin zu spät gekommen, hatte Angst, sofort gefeuert zu werden. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich die Treppen zu den Abbey Road Studios hinaufsteige. Wenn ich sage, die erste Begegnung mit den Beatles war einschüchternd, dann ist das ein Euphemismus.

Gibt es dort so etwas wie einen Genius Loci?

Ganz bestimmt. So viel wichtige Musik von Edward Elgar bis zu den Beatles entstand dort. Jeder, der in der Popmusik einen Namen hat, war irgendwann einmal dort. Viele kehren immer wieder. Das kann wie ein Virus sein. Ich weiß es selbst am besten. Haben Sie gewusst, dass ich die Abbey Road Studios kurze Zeit sogar geleitet habe?

Nein. Warum haben Sie denn wieder damit aufgehört?

Ich war dort zu sehr mit Managementfragen beschäftigt, als dass ich mich dem widmen konnte, was mir eigentlich gefällt: dem Aufnehmen.

Zurück zu den Beatles. Wie hat George Martin seine Soundideen durchgesetzt?

Er war extrem diplomatisch. Wenn er eine starke Idee hatte, verstand er es perfekt, die vier davon zu überzeugen. Er war ja selbst ein echter Musiker. Er hat nicht nur schräge Effekte erfunden, wie etwa ein aufgenommenes Gitarrensolo rückwärts abzuspielen. Er verstand es auch, Akkordwechsel dramatisch zu inszenieren. Die Leute haben schon recht, wenn sie ihn den fünften Beatle nennen.

Was sind Ihre Erinnerungen an die „Let It Be“-Sessions, die ja im Apple-Gebäude in der Saville Row stattfanden?

Das passierte alles innerhalb von drei, vier Tagen. Der Film gibt da ein bisschen einen falschen Eindruck. Die Burschen waren nicht extrem glücklich in jenen Tagen. Im Konzert auf dem Dach des Hauses kulminierte ihre Unzufriedenheit. Die meisten Lieder auf „Let It Be“ stammen von dieser Session.

Wie war es, „Dark Side of the Moon“ auf einem 16-Spur-Gerät aufzunehmen?

Es war schlicht großartig. Es war mein erster echter Aufnahmegig mit Pink Floyd. Ich hatte schon für „Atom Heart Mother“ mit ihnen gearbeitet. Wir lernten bald, einander zu vertrauen.

Wie sehen Sie „Dark Side“ nach 40 Jahren?

Ich bin immer noch mächtig stolz darauf. Mit Pink Floyd war man gezwungen, noch die letzten Möglichkeiten aus einem Studio herauszukitzeln. Wir spürten schon bei der Arbeit, dass es das bis dahin beste Floyd-Album wird. Aber keiner von uns ahnte, dass es sich 700 Wochen in den Billboard-Charts halten würde. Schade nur, dass wir alle alternativen Takes gelöscht haben. Das war falsch verstandene Hygiene.

Die langjährige Partnerschaft mit Eric Woolfson beim Alan Parsons Project zerbrach nach einer Arbeit an einem Freud-Musical in Wien. Was ist da passiert?

„Freudiana“ sollte zunächst eine richtige Alan-Parsons-Projekt-Platte werden. Brian Brolly, der künstlerische Leiter des Musicals, wollte die Rechte allein für sich. Eric klagte ihn in London. Wer weiß, was wir noch zusammen hätten leisten können?

Wie ordnen Sie das Alan Parsons Project ein, „Progressive Rock“ oder Elektronik?

Wir waren weder besonders rockig noch waren wir „progressive“ wie etwa Yes. Und als man uns später als Elektronikband missverstand, musste ich lächeln: Niemand hasste Synthesizer so innig wie ich.

Was waren die Highlights Ihrer Karriere?

Als ich meinen Namen auf dem ersten Project-Album „Tales of Mystery and Imagination“ las. Und als ich zum ersten Mal, es war in Hamburg, auf der Bühne Applaus erhielt. Diese Form der unmittelbaren Anerkennung kannte ich als Ingenieur und Produzent nicht...

Hoffen Sie noch auf einen Grammy?

Ja. Ich bin wahrscheinlich der Musiker, der am häufigsten nominiert wurde, aber stets leer ausging. Dass ich in naher Zukunft kein neues Album plane, macht die Sache nicht einfacher.

Steckbrief

1948
In London geboren. Lernte als Kind Gitarre, Klavier und Flöte.

1969
Toningenieur bei den Aufnahmen der Beatles-Alben „Abbey Road“ und „Let It Be“.

1973
Toningenieur bei den Aufnahmen von „Dark Side of the Moon“.

1975
Gründung des Alan Parsons Project (mit Eric Woolfson), das bis 1987 bestand. Das erste Album, „Tales of Mystery and Imagination“ (1976), vertonte Storys von Edgar Allan Poe. Es folgten u.a. „I Robot“, „Pyramid“, „Eve“, „Gaudi“.

1982
„Eye in the Sky“ wurde zum Hit.

1990
Uraufführung von „Freudiana“ im Theater an der Wien. Das Album wurde von Parsons und Woolfson produziert.

2013
Alan Parsons ist nach langer Zeit wieder auf Tour. Am 22.März im Wiener Gasometer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2012)

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