Radiosound aus der Plattensammlung

Mick Hucknall hat für sein Album „American Soul“ afroamerikanische Klassiker gecovert. Ein Tribut an die „Musik der Armen“.

Mick Hucknall, langjähriger Pendler zwischen Alkohol und Schürzenjagd, ist geläutert. Der 52-jährige Ex-Sänger von Simply Red, nun verheiratet und Vater einer fünfjährigen Tochter, hat mit „American Soul“ ein exquisites Coverversionenalbum aufgenommen. Das „Schaufenster“ sprach mit ihm.

Was hat Sie bewogen, nach Ihrer schönen Bobby-„Blue“-Bland-Hommage abermals ein Album ausschließlich mit Coverversionen zu machen?

Auslöser waren Ron Wood, Bill Wyman und Charlie Watts. Alle drei haben mich unabhängig voneinander dazu eingeladen, bei ihren Konzerten Blues- und Soulsongs zu interpretieren. Für Wyman sang ich den R&B-Hit „Reconsider Baby“ und den Soulklassiker „Knock On Wood“. Bei Ron Wood ersetzte ich Rod Stewart und sang zum ersten Mal „I’d Rather Go Blind“, das nun auch auf meinem Album drauf ist. Und für Charlie Watts sang ich Lieder von Marvin Gaye und Jimmy Reed. Meinem Manager fiel auf, wie sehr mir das Spaß machte. Er war es, der mich letztlich auf die Idee brachte.

Komponieren Sie denn selbst nicht mehr?

Doch, doch. Ich habe „American Soul“ gleichzeitig mit neuen, eigenen Liedern eingespielt, die ich nächstes Jahr veröffentlichen werde.

Es gibt tausende großartige R&B- und Soulsongs. Wie schwierig war das Auswählen?

Ich ging mit meinem Produzenten meine Plattensammlung durch. Die Lieder mussten so gebaut sein, dass man sie zart modernisieren konnte. Ein simples Retroprojekt wollten wir nicht machen. Radiotauglichkeit war uns wichtig. Die Sänger der Originale waren in ihrer Zeit eben auch sehr darauf bedacht, im Radio gespielt zu werden.

Wie kam die Soulmusik überhaupt in Ihr Leben?

Die Gründe dafür haben sogar sozialhistorische Dimension. Im Nordwesten Englands hatte die Blue-Collar-Klasse immer schon größte Affinität zur Musik der Afroamerikaner. Soul, Blues und R&B waren immer Musik der Armen, und Bewohner der englischen Industriegebiete haben das, was ich „sympathiebezeugendes Gehör“ nenne. Die Musik kam zuerst nach Liverpool, Glasgow und dann erst nach London. Soldaten und Seeleute brachten sie. Als ich mit meiner Band Simply Red das erste Mal in Detroit war, staunten wir über die große Ähnlichkeit zu Manchester, die sich sogar im Humor widerspiegelt.

Wie schwierig war es eigentlich, als Sänger einen neuen Weg in all die Klassiker von „Lonely Avenue“ bis „Let Me Down Easy“ zu finden?

Das Lied von jemand anderem zu singen ist fast immer eine Art Tribut. Man darf keinesfalls versuchen, aus einem alten Song etwas komplett Neues zu machen. Die Veränderungen sollten moderat sein. Man muss, wie es Sinatra definierte, so singen, als konversiere man mit jemandem. Also darf man keinesfalls Vokalgymnastik machen, sondern sollte schlicht die Botschaft des Songs übermitteln.

Die große Blues- und Soulsängerin Etta James, deren „I’d Rather Go Blind“ Sie auf „American Soul“ singen, hat auch einen Ihrer Songs gesungen. Was bedeutet Ihnen das?

Es hat mir einen unglaublichen Kick versetzt, als ich „Holding Back The Years“ in ihrer Version gehört habe. Was für eine Ehre! Ich traf Etta James 1986 bei den Grammy Awards, als der Song gerade ein großer Hit war. Sie sagte mir, wie sehr sie das Lied mag, aber dass sie es eines Tages selbst singen wird, hätte ich mir nicht träumen lassen.

Privat hören Sie dem Vernehmen nach lieber Instrumentalmusik. Wie kommt das?

Weil ich sie ganz einfach liebe. Man sollte nie unterschätzen, welche Freude ein Sänger aus seiner Band schöpfen kann. Das macht jeder Bandleader. Ich höre privat viel Dub-Reggae, Jazz und Klassik.

Haben Sie einen Favoriten auf „American Soul“?

Eigentlich sind es zwei Songs, die Gründe dafür sind biographisch. Zum einen wäre da mal Jimmy Reeds „Baby What You Want Me To Do“, das eine der ersten Singles war, die ich mir selbst gekauft habe. Die andere ist „Don’t Let Me Be Misunderstood“, ein Lied, das sehr oft gecovert wurde. Genau das war die Herausforderung für mich. Das Lied handelt von einem Menschen, der eine Art verlorener Sohn ist und viel über seine Fehler spricht. Das ist eine sehr melancholische Sache. Wir wollten die dunkle Seite dieses Songs herausarbeiten. Schön war, dass ich Eric Burdon, der „Don’t Let Me Be Misunderstood“ zum Klassiker gemacht hat, heuer in einer Bar in Santorin getroffen habe. Ich habe ihn immer sehr verehrt.

Für Antony Hegartys „Hope There’s Someone“ machten Sie eine Ausnahme vom Konzept „American Soul“. Warum?

Regeln sind dazu da, dass man sie bricht. Das Lied ist unglaublich berührend. Daran musste ich mich versuchen.

Perry Comos „It’s Impossible“ hörten Sie den Linernotes nach, als Sie als junger Mann als Kellner in einem „Working Man’s Club“ arbeiteten. Was für eine Art von Lokal ist das?

Das sind Orte, die sich die Kohlenminen- und Fabriksarbeiter geschaffen haben. Sie sind billiger als herkömmliche Pubs und die Leute sind unter sich. Sie spielen Bingo, tanzen und betrinken sich. 
In so einem Club habe ich als Jugendlicher Drinks serviert. Drei Jahre lang. In der Zeit habe ich viele Lieder kennengelernt. Das war eine schöne Lehre.

Sie singen Tyrone Davis’ „Turn Back The Hands Of Time“. Sind Sie Nostalgiker, was die Musik anlangt?

So sehr ich die Vergangenheit schätze, ich liebe auch aktuelle Sounds von Hip-Hop bis House. Man hat als Heutiger so viel mehr Auswahl, Musiktraditionen kennenzuInteressierte finden, wonach ihm der Sinn steht. Nein, nein, ich bin mit der Gegenwart schon sehr zufrieden.

TIPP

„American Soul“. Mick Hucknall covert eine Auswahl seiner Lieblingslieder aus dem Soul-, Blues- und R&B-Genre (Warner, 2012).

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