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Heino gegen Punk: Culture Clash?

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Bands wie Die Ärzte ärgern sich über die – erstaunlich knackigen – Coverversionen von deutschen Rocksongs des Schlagerveteranen. Diesen lässt das allerdings kalt. Aber wie klingt das? Gar nicht schlecht.

„Ich bin mit Mick Jagger gut befreundet, dem nun wirklich größten Rocker aller Zeiten. Was kümmert es mich, wenn sich hier ein paar kleine Lichter aufregen?“ So ätzte Schlagerstar Heino jüngst in der „Bild“-Zeitung gegen Bands wie Die Toten Hosen und Die Ärzte. Aufgeregt haben sich die über Heinos – erstaunlich knackige – Interpretationen von deutschen Rocksongs. Und der gut gelaunte Veteran, der selbst immer wieder auf die Schaufel genommen worden ist, genießt die neue Situation: „Die Jungs haben doch keine Eier in der Hose“, sagte er über den Manager der Ärzte, der seine verärgerte Erstreaktion schönreden wollte. „Ich dachte, ich mache den Kollegen eine Freude, wenn ich ihre Lieder singe. Anstatt mich zu beschimpfen, sollten sie doch froh sein, wenn ich etwas von ihnen nachsinge. Da klingelt doch die Kasse.“

Tatsächlich: Heinos erstes Rockalbum „Mit freundlichen Grüßen“ schnellte schon vor der heutigen Veröffentlichung auf Nummer eins. Arrangements, die luftig zwischen Pop, Rock und Schlager vermitteln, waren die ideale Basis dafür, Heinos sonoren Gesang, der gern auf den Höhen der Leidenschaft effektvoll bricht, zu völlig neuer Wirkung zu bringen.

Schon 1989 rappte er den „Enzian“

Gut, Rammsteins im steifen Kasernenhofton gehaltenes Pathosrock-Stück „Sonne“ klingt auch bei Heino noch martialisch. Anderswo fand er eine durchaus soulige Lesart. Richtig zärtlich nahm er sich des bläserverstärkten Lieds „Ein Kompliment“ der Sportfreunde Stiller an: Die Ode an zwischenmenschliche Schwärmerei entspricht offensichtlich seinem persönlichen Geschmack. Geglückt ist auch die Neudeutung von „Liebes Lied“ von Absolute Beginner: Heino brilliert als Rapper mit lockerem Flow. Auf diesem Gebiet hat er ja schon ein wenig Erfahrung: 1989 leistete er sich den Jux und brachte „Blau blüht der Enzian“ in einer Disco-Rap-Version auf den Markt. Diese Vorarbeit ermächtigte ihn auch, das silbenreiche „MFG“ der Fantastischen Vier in beachtlichem Tempo zu rattern.
Von gemächlicherem Groove unterfüttert ist die jubilierende Version des DDR-Popstücks „Kling Klang“ von Keimzeit. Auch Peter Fox' „Haus am See“ und Nenas „Leuchtturm“ erfuhren das sonore Heino-Treatment, ohne peinlich zu werden.

Als erste Single wurde „Junge“, im Original von den Ärzten, ausgekoppelt. Die Zeile „Junge, brich deiner Mutter nicht das Herz“ sprach Heino besonders an. Dass im Original eine gewisse Ironie waltete, störte ihn dabei gar nicht. Er ignorierte sie einfach.

Anders beim Cover: Da hatte auch Heino Verständnis für die Notwendigkeit von Selbstironie. Willig posierte er mit einer Fender-E-Gitarre, hielt einen Totenkopfring ins Objektiv, wie ihn sein alter Düsseldorfer Intimfeind Campino zuweilen überstreift. Von dessen Toten Hosen landete dann doch kein Song auf dem Album. „Mit denen hatte ich früher schon Zoff“, erinnert sich Heino an die Affäre mit Norbert Hähnel alias „Der wahre Heino“, der ihn einst im Vorprogramm der Toten Hosen karikierte. Heino klagte, Hähnel wurde zu 10.000 Mark verurteilt, saß aber lieber 15 Tage Ordnungshaft ab.

Solcher Culture Clash zwischen Pop und Schlager ist selten. Schon in den Sechzigerjahren flirteten anerkannte Schlagerstars mit britischen und amerikanischen Popsongs. Peter Alexander sang 1960, lange vor Nick Cave, Roy Orbisons „Running Scared“; Roy Black interpretierte das im Original von den Drifters gesungene, schwülstige „Save The Last Dance For Me“; Cindy & Bert entrollten zur knatternden Musik von Black Sabbaths „Paranoid“ das dramatische Szenario des „Hundes von Baskerville“; Daliah Lavi, Vicky Leandros, Christian Anders, Bernd Clüver, Karel Gott und Juliane Werding sangen in den frühen Siebzigern Klassiker von Leonard Cohen bis George Harrison.

Heino: „Ich singe immerhin drei Oktaven“

Die Popkritik fand das oft nicht so lustig. Rainer Moritz beschrieb in seinem Schlagerbuch „Und das Meer singt sein Lied“ die Vielzahl von „kapitalismustheoretischen“ Studien, die Schlagerkünstler wie Heino als Inkarnation des Bösen betrachten, die nichts anderes als Volksverdummung bei gleichzeitiger Gewinnmaximierung im Sinn haben.

Heino kann das locker sehen. Er hat von seinen Berg- und Meeresschlagern um die 50 Millionen Alben verkauft und steht dazu: „Volksmusik hat wesentlich mehr Potenzial von den Melodien her. Während sich Pop meist innerhalb einer halben Oktave abspielt, singe ich bei den Volksliedern immerhin drei Oktaven.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2013)

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