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Slash: "Man darf nicht zu viel grübeln"

Slash darf nicht viel
Slash darf nicht viel(c) EPA (Balazs Mohai)
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Slash gilt als quintessenzieller Rockgitarrist. Dabei hat der ehemalige Axtmann von Guns N' Roses viel Gefühl für Soul, Blues, sogar Jazz und Klassik. Sonntag Abend tritt er in Wien auf.

Im Vorjahr veröffentlichten Sie „Apocalyptic Love“, Ihr erst zweites Album unter eigenem Namen. Manche Künstler sind nach Fertigstellung einer Arbeit deprimiert. Wie ging es Ihnen?

Slash: Wenn man regelmäßig auf Tournee geht, gibt es diesbezüglich keinen Grund, traurig zu sein. So sehr ich das Komponieren und Aufnehmen mag, am Ende ist es für mich doch nur Hilfsmittel, um wieder live zu spielen.

Das klingt aber nicht gerade, als würden Sie das Studio als ein Zauberlabor betrachten, oder?

Ich kann nicht sagen, dass ich mit viel Zuversicht Studios betrete. Der ganze Kompositionsprozess ist mit viel Spekulationen beladen, immer strebt man danach, einen magischen Moment zu evozieren. Bloß ist Magie keine Frage des Willens. Das Klügste ist, man hat eine Menge guter Ideen und schaltet dann hoffnungsvoll auf Blindflug, indem man eine Live-Situation nachstellt. Wenn du wirklich Spur für Spur aufnimmst, kannst du dich ganz schön verlieren.

Was holen Sie für sich bei Ihren Auftritten heraus?

Im Grunde alles. Meine ganze verdammte Existenz ist um das Spielen vor Publikum zentriert. Das ist die ideale Form, mich auszudrücken. Musikalisch, emotional und körperlich. In den durchschnittlich zwei Konzertstunden bin ich total authentisch, bin ich total bei mir.

Was ist ein perfekter Song für Sie?

Er muss sich unmittelbar in dein Gedächtnis eingraben. Der perfekte Song braucht einen satten Groove, eine unvergessliche Melodie und einen Text mit Aussagekraft. Kurioserweise funktionieren manche Songs auch ohne diese Ingredienzien, was die Sache im Studio nicht leichter macht. Qualitätskontrolle ist eine verdammt heikle Sache.

Warum sind Gitarristen bei Damen so beliebt?

Ich weiß nicht. Vielleicht weil sie hoffen, dass wir auch in der Liebe die richtigen Griffe wissen.

Ihr letztes Album nannte sich „Apocalyptic Love“. Worum geht es im gleichnamigen Song, um die destruktive Seite der Liebe?

Nein, in diesem Song steckt viel Humor. Alles begann mit einer Diskussion über sexuelle Beziehungen, über den Moment, in dem sich alles entscheidet. Da gibt es dann ja immer einen Point of no Return, einen Sog. Ich bin im Grunde eher schüchtern, also habe ich in meinen jüngeren Jahren die Initiative oft den Frauen überlassen. Später half der Alkohol, die Barrieren zu überwinden.

Zum Alkohol bauten Sie bekanntlich eine intensive Beziehung auf. Heute trinken Sie nicht mehr. Wie schwer ist das für einen Rockgitarristen?

Nicht schwerer als für einen trockenen Alkoholiker aus anderen Berufssparten. Irgendwann machte das Besoffensein keinen Spaß mehr. Vor allem aber behindert es dich in deiner Arbeit. Also habe ich alles daran gesetzt, diese Krücke loszuwerden. Mit viel Willen und Einsicht habe ich mich davon lösen können.

Auch musikalisch hatten Sie einen breiteren Horizont als so mancher Kollege. Sie spielten unter anderem mit Michael Jackson und Ray Charles, mit Iggy Pop und Bob Dylan. Was war denn Ihre interessanteste Kollaboration?

Ach, die waren alle aufregend. Mich hat es immer angeregt, wenn ich mit Kollegen spielte, die ganz andere ästhetische Absichten verfolgen als ich. Auch die unterschiedlichen Persönlichkeiten waren von großem Reiz.

Ich versuche es anders: Wie war es ganz konkret mit Iggy Pop?

Iggy Pop verkörpert für mich die Quintessenz des Rock 'n' Roll. Ich spielte auf seinem Album „Brick By Brick“. Er ist ein erstaunlich spontaner Denker, musikalisch und auch sonst. Und da wäre noch sein grimmiger Humor, der an den meisten seiner Texte ablesbar ist.

Für Ihr erstes Soloalbum luden Sie neben Iggy Pop auch Größen wie Kid Rock, Ozzy Osbourne und Lemmy Kilmister als Gastsänger ein. Was muss ein Sänger können?

Dasselbe, das ein Instrumentalist auch beherrschen muss. Er muss einfach in der Lage sein, ein Gefühl zu kommunizieren. Alle guten Sänger haben ihre ganz persönlichen Tricks, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Bei Ihrem letzten Wien-Auftritt spielten Sie mit Ozzy Osbourne einige Black-Sabbath-Stücke. Was reizt einen Virtuosen wie Sie an diesen eher simplen Riffs?

Ich wuchs ja in England auf. Also lernte ich zunächst von britischen Bands. Ich übte schon früh Tony Iommis geniale Black-Sabbath-Riffs, hab sie aber nie live gespielt. Das Schwierige für mich ist, dass sie so langsam sind, ich für gewöhnlich viel schneller spiele. So einfach sie scheinen, so leicht ist es, sie zu verhunzen. Auf keinen Fall darf man sie mit irgendwelchen Noten verzieren oder zu hart spielen.

Wie findet ein Gitarrist überhaupt die rechte Balance zwischen Technik und Gefühl?

Das ist schwierig zu beantworten. Der technische Teil ist meist der einfachere. Rock 'n' Roll ist aber eine Sache des Gefühls innerhalb eines Bandkontexts. Das heißt, die Befindlichkeiten der anderen beeinflussen dich. Das macht es einerseits schwierig, auf der anderen Seite auch interessant, weil du dich nicht auf irgendwelchen Lorbeeren ausruhen kannst.

Apropos Lorbeeren: Haben Sie alles erreicht, was Sie sich als junger Musiker erträumten?

Ich hatte gar keine großen Erwartungen. Vielleicht, weil ich nicht enttäuscht werden wollte. Es mag vielleicht ein wenig prätentiös klingen, aber für mich steht auch heute noch das Bemühen um musikalische Verbesserung im Mittelpunkt. Es ist eine Haltung, die ich mir bewahrt habe. Gefährdet war ich nur am Höhepunkt des Erfolgs mit Guns N' Roses. Wenn man sehr viel Zuspruch hat, ist man versucht, formelhaft zu werden. Das habe ich mir rasch wieder abgewöhnt.

Hegten Sie Illusionen zu Beginn Ihrer Karriere?

Vielleicht die, dass ich Erfolg mit großem Glück zusammendachte. Welttourneen können einen verdammt einsam machen. Man darf nicht zu viel grübeln. So eine Rockkarriere muss man als eine Art Reise ansehen.

Ist Rock 'n' Roll aber nicht auch ein Lebensstil, ein gefährlicher mitunter?

Ja, auf jeden Fall. Aber dieses ganze Sex-and-Drugs-Ding, das mit Rockmusik gleichgesetzt wird, ist ja längst zum Klischee geworden. Diese Dinge passieren doch heute auch in ganz anderen Berufsgruppen. Womöglich noch ungestümer.

Wie definieren Sie Erfolg?

Der einzige Parameter für Erfolg ist für mich, wie intensiv ich mit dem Publikum interagieren kann. Die Charts-Position und das Radio-Airplay sind ja ganz nett, aber ernst wird es erst vor lebendigen Menschen. Mir geht es um den geglückten Konzertabend. Das Flüchtige dieses Glücks hat eine Art Poesie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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