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Jazzchansons mit Eleganz: Die Passion der Melody Gardot

Jazzchansons mit Eleganz: Die Passion der Melody Gardot
Jazzchansons mit Eleganz: Die Passion der Melody Gardot(c) EPA (EMILIO NARANJO)
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Die US-Sängerin Melody Gardot zelebrierte in der Wiener Stadthalle zarte Lieder von hohem romantischem Ideal. Am Ende gab es Standing Ovations für Passion und elegante Stimmführung.

Der Beginn war so behutsam, dass er einem Fade-out glich. Die versierten Instrumentalisten versetzten mit impressionistischen Klangtupfern in andere Sphären. Zitterndes Tongefälle, dazu angetan, einen von der Alltagswelt zu entfernen. Miss Gardot trat dann in langem Kleid und mit schwarzem Turban ans Piano und verlustierte sich sofort im Moll. Das ist kein Zufall, hat doch ihre melodiensatte Ästhetik ihr Fundament im Jazzchanson. Daran erinnerte sie gleich im Opener „Rain“.

Ihr Album „The Absence“ (2012) ließe anderes vermuten: Auf der kleinen musikalischen Weltreise probierte sie Sounds der Wüste genauso wie vitalen Samba und herrlich tristen Fado. Vom Weltmusikalischen ließ sie am Abend in der Stadthalle nicht gänzlich ab, entbot davon aber nur drei exotische Lieder. Zuerst erinnerte das fast zu liebliche „Mira“ stark an die Joni Mitchell der späten 1970er. Silbengesang, Flötensoli und eine Batucada-Trommeleinlage belebten das Stück entscheidend. Gardots luftige Songarchitektur räumte den Verworrenheiten des Lebens viel Platz ein.

Spielt gern mit Straßenmusikanten

„Saudade“, eine Hommage an die 2011 verstorbene kapverdische Sängerin Cesaria Evora, zählte zu den Highlights des Abends. Gardot wechselte dafür in die Bühnenmitte zum Standmikrofon und herzte die schöne Melodie beeindruckend behutsam. Sie singt nur selten fremde Lieder nach, erarbeitet dabei vor allem nuancierten Ausdruck. Mit flehentlichem Vibrato begab sie sich dann in das tieftraurige Szenario von „So We Meet Again My Heartache“ und verstand, die Melancholie auszukosten.

Zwischen den Liedern schwärmte Gardot vom Pariser Café Flore und der Freude, zuweilen mit Straßenmusikern für Hutgeld zu spielen, das sie dann doch nicht annimmt. Rührend heulte sie in „Les Etoiles“ zu den hohen Sternen hinauf, dorthin, wo für Liebesromanleser die Schicksale gebastelt werden. Der Liebe die Sentimentalität zu entziehen, verweigert Gardot standhaft. Sie mag im wirklichen Leben eine nüchterne Person sein, die Buben schon mal sexuell instrumentalisiert, aber in ihrer Kunst bewahrt sie konsequent das romantische Ideal. Denn nur dort kann keine Routine einbrechen. Kein Lied singt man schließlich zweimal auf die gleiche Art. Die stete Erneuerung, in der Musik wird sie Wirklichkeit. Am Ende gab es Standing Ovations für Passion und elegante Stimmführung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2013)

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