Pop

Dunkle Ghettopoesie am Innviertler Bauernhof

 Bobby West
Bobby West(C) Bobby West
  • Drucken

Die Inntöne 2013 bestachen mit einer delikaten Mischung aus Blues, Alphorn-Improvisationen und spirituellem Freejazz.

Schwer zu sagen, was das größere Kunststück von Organisator Paul Zauner ist: urbane Jazzfans zu einem entlegenen Bauernhof ins Innviertel zu locken oder die lokale Bevölkerung für Amerikas einzige genuine Musikform zu begeistern. Der idyllische Buchmannhof in Diersbach hat sich zudem zu einem Ort entwickelt, an dem sich Musiker aus allen Teilen der USA zu spontanen Sessions begegnen. Sogar das renommierte amerikanische Jazzmagazin „Downbeat“ schickte heuer einen Abgesandten ins Innviertel.

Neben den unentbehrlichen Headlinern engagiert Zauner konsequent Talente und Geheimtipps. Ein heute berühmter Mann wie Gregory Porter debütierte etwa vor Jahren auf Zauners Heustadlbühne. Solche Reputation verpflichtet. Neben Trompeter Jerry Gonzalez und Bluessänger Otis Taylor lockte diesmal Saxofonist Pharoah Sanders, der als junger Mann mit dem legendären John Coltrane gespielt hat und von diesem das Rüstzeug für eine der schillerndsten Karrieren im transzendentalen Freejazz erworben hat. Mit glühendem Ton zelebrierte Sanders eingangs Coltranes wehes „Welcome“. Nach einer rauen Exkursion in den Hardbop lud er den ersten Gast zu sich. Es war Dwight Trible, ein ungewöhnlich intonierender Sänger, der nicht nur dem Space-Age-Jazz eines John Coltrane verbunden ist, sondern auch seichte Burt-Bacharach-Stücke, wie „What the World Needs Now“, in dunkle Ghettopoesie verwandeln kann.

Patinierte Bürgerrechtshymnen

Gemeinsam rubbelt man der verblassenden Liebesfantasie „Naima“ Farbe ins Gesicht. Weiter, verstärkt von Posaunist Howard Johnson, lenkte Sanders in ein tosendes „You've Got To Have Freedom“ hinüber, ein Stück, das dank BBC-Mann Gilles Peterson in den Neunzigern zur Hymne einer neuen Generation wurde. Sanders splittete die Töne in sagenhaftem Furioso – und Trible flippte, wie zuvor in seinem eigenen Duo-Set, völlig aus. Gemeinsam mit dem Pianisten Bobby West löste er Standing Ovations aus.

Ihr Repertoire wechselte zwischen politisch und spirituell, zwischen patinierten Bürgerrechtshymnen wie „Don't Explain“ und „Strange Fruit“ und Selbstkomponiertem wie „Moon Over Montgomery“. Mit seiner innigen Deutung von Donny Hathaways „Thank You Master for My Soul“, zeigte Trible, dass bei ihm trotz seiner Exaltiertheit nicht zu wenig Bedürftigkeit besteht. sam

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.