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Killer-Rap als letzter Weg des Kriegers Bushido

Killer Rap Bushido
Killer Rap Bushido(C) EPA
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In einem neuen Song samt Video kündigt Bushido an, Politiker zu ermorden. „Ich mach Schlagzeilen, yeah!“, heißt es dort auch. Diesmal könnte es der Gangsta-Rapper zu weit getrieben haben.

Die Bronx liegt mitten in Berlin, der Hass liegt auf der Straße, zumindest ein Musikvideo lang. Auf dem Dach einer Autogarage rappen zwei dunkle Gestalten mit grimmigen Gesichtern. Was sie den Freunden des rhythmischen Sprechgesangs mitteilen, lässt keinen Spielraum für freundliche Deutung und macht den Staatsanwälten die Arbeit leicht.

„Ich verkloppe blonde Opfer so wie Oli Pocher“: angekündigte Körperverletzung am Komödianten, der damit noch Glück hat. Ein FDP-Abgeordneter ist weit ärmer dran: „Ich will, dass Serkan Tören jetzt ins Gras beißt.“ Die Bässe im Hintergrund klingen wie Schüsse. Ein Mordaufruf im populären deutschen Liedgut, das hat man so noch nicht gehört. Für die Parteichefin der Grünen greift der selbst ernannte Herr über Reim und Leben gleich selbst zur Knarre: „Ich schieß auf Claudia Roth, und sie kriegt Löcher wie ein Golfplatz.“ Garniert wird die Hasstirade mit homophoben Gewaltfantasien („du Schwuchtel wirst gefoltert“) und einer dazu passenden vulgären Beleidigung an die Adresse von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit.

Wowereit und Tören zeigen an

Bushido hat mit Shindy, einem Bruder im Ungeist, den Song „Stress ohne Grund“ eingespielt – und es wieder einmal geschafft: „Ich mache Schlagzeilen, yeah“, heißt es in Strophe zwei. Der Gangsta-Rapper, Skandalproduzent und Großmeister der Selbstvermarktung hat die Dosis der Provokation noch einmal kräftig erhöht. Nun sieht er zufrieden zu, wie der Sturm der öffentlichen Erregung über ihn hereinbricht. Ein umsatzträchtiges Unwetter, das sich so präzise prognostizieren lässt, wie es ein Meteorologe für seine Sommergewitter nur erträumen kann. Der Flurschaden: Der musikalische Mordaufruf wird im Internet millionenfach aufgerufen. YouTube hat das Video zwar gesperrt, aber wer will, findet es leicht. Es wollen viele, und mit jedem Artikel wie diesem werden es mehr.

Der Grüne Abgeordnete Omid Nouripour rät dazu, nicht mitzuspielen: „Man muss diesen talentlosen Musiker ignorieren.“ Doch die meisten meinen: Worüber man nicht schweigen kann, darüber muss man reden. Vieles spricht dafür, dass Bushido den Bogen diesmal überspannt hat. Wowereit und Tören erstellen Strafanzeige. Neonazi-Bands wurden für vergleichbare Texte verboten. Kommt es hart auf hart, droht dem Sänger sogar der „Knast“. Doch nach der Dialektik des Genres wäre die Höllenfahrt zugleich der Aufstieg in den Hip-Hop-Himmel. Ein Märtyrer der bösen Reime, indizierte Texte, verbotene Musik: Das ist das Zeug, das einen Rapper zum reichen Helden macht, dank seiner Kernzielgruppe, der hilflos rebellierenden Jugend. Die fetten Bässe sind zurück, unüberhörbarer denn je.

Anis Mohammed Yussuf Ferchichi hat eine gewundene Karriere hinter sich. Den Namen Bushido gab sich der Halbtunesier selbst, er ist japanisch und bedeutet „Wege des Kriegers“. Sein erster Weg war der des kleinen Drogendealers, der an seiner Ware fast zugrunde geht und sich doch erfolgreich nach oben rappt. Im Gepäck seine holprig-prolligen Reime, und damit von Anfang an: Verachtung für Frauen, Hass auf Schwule, Drohungen an Kollegen, die das Revier streitig machen. Die Empörung ließ nicht auf sich warten. Dabei war doch alles nur Attitüde, Zitate, genrespezifische Ornamente, mit denen die Realität der schwarzen Ghettos in den USA auch hierzulande beschworen werden soll.

Doch irgendwann erkannte der nach Ruhm und Reichtum gierende Krieger: Sein Schmäh läuft sich tot. Bushido mutierte zur eigenen Antithese, zog sich den Anzug über, arbeitete als Praktikant für einen CDU-Abgeordneten, gründete eine Familie, wurde brav und bürgerlich. Wieder spielten alle mit, bis zur Groteske: 2011 erhielt Bushido den Burda-Bambi für besondere Verdienste um die Integration, um ein friedvolles Miteinander. Dass Roth und Tören protestieren, macht sie nun zu Zielscheiben des artifiziellen Hasses.

Die neue, sauber gebundene Masche funktionierte nicht lange. Dem Kind aus der Gosse erodierte das Fundament. Ein Brandstifter als Biedermann macht sich auf dem Poster im Jugendzimmer gar nicht gut. Die Verkaufszahlen brachen ein, für die Herbsttournee reicht vielerorts die kleine Halle.

Da kam, wie in einem Masterplan ersonnen, vor knapp drei Monaten der große „Stern“-Artikel über Bushidos freundschaftliche Bande zur Berliner Nahostmafia, über eine ominöse Vollmacht für einen Oberbösen, über einen Pakt mit dem Teufel. Bushido weiß die Gunst der Stunde sogleich zu nutzen und erfindet sich neu. Statt der Synthese wählt er die These zum Quadrat: Auf den Gangsta-Rap folgt der Killer-Rap. Alles nicht echt, alles verlogen. So wie Berlin auch nie die Bronx war.

Der andere Rüpelrapper

Der 1978 in Bonn geborene Rapper Bushido (bürgerlich: Anis Mohammed Ferchichi) ist in Österreich weniger bekannt als sein einstiger Konkurrent und Intimfeind Sido (Paul Hartmut Würdig), der als Jurymitglied in der ORF-Show „Die große Chance“ und durch einige Eklats für Aufsehen sorgte. Die fast gleichaltrigen Rapper haben eine ähnliche Laufbahn hinter sich und eine ähnliche Vorliebe für gewaltverherrlichende, homophobe Texte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2013)

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