Pop

Herber Feenpop aus einem kalten, dunklen Land

(c) Fabry Clemens
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Die Norwegerin Ane Brun sang (nicht nur) über die verheerenden Folgen der Liebe.

Manchmal geht Ane Brun mit der norwegischen Popband A-ha oder dem Briten Peter Gabriel auf Tournee und versucht sich an großen Menschenmassen. Doch so gut sie dabei wirkt, lieber offenbart sie sich in intimen Hallen. Die 37-jährige gebürtige Norwegerin liebt die Herausforderung, musikalische Schönheit an schundige Orte zu bringen.

In der ziemlich trostlosen Szene Wien startete sie mit „The Light From One“, einer Pianoballade mit verhuschtem Backgroundgesang und stimmungsvollen Windgeräuschen. Die Skandinavier liegen ja ständig im Krieg mit den Wetterlagen. Weil sie mehr Dunkelheit, Nässe und Kälte als andere abkriegen, brauchen sie wohl auch mehr vom tröstenden musikalischen Süßstoff, wie ihn Brun so vorzüglich produziert. Oberflächlich betrachtet, zählt sie zu den Feenerscheinungen der Popwelt, irgendwo zwischen Kate Bush und Tori Amos. Musikalisch ist sie jedoch ganz eigen. In größtenteils kammermusikalischen Arrangements pendelt sie zwischen Gospel, Country und Popballade, vermeidet aber tunlichst jede Mainstream-Anmutung.

Das zeitigte live in der Szene Wien erstaunlich emotionale Momente. Etwa bei „The Puzzle“, einem Song über die verheerenden Wirkungen, die Liebe entfachen kann. „Her remains were spread out like the pieces of a puzzle“, sang Brun mit delikatem Vibrato, raschelte großzügig mit den luxuriösen Stoffbahnen ihres Kleides und sprach Klartext, was die Liebe ist: ein Minenfeld. In „Changing Of The Seasons“ deutet sie an, dass dieser Wechsel für echte Nordländer durchaus mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. „I guess I'm too Scandinavian“, sang sie elegisch und relativierte angstfrei sowohl den Charme des Frühlings als auch die Klarheit des Herbsts.

Cindy Laupers „True Colors“

Zwischendurch ritt sie durchaus auch Galopp. Etwa im „Treehouse Song“, in dem sie vom Kinderzeugen in Baumkronen träumte. Schöner noch glückte „Humming One Of Your Songs“, in dem düsterer Groove und jubilierender Gesang einen wunderbaren Kontrast abgaben. Kalt und warm wurde einem dann auch bei Bruns Hits. Bei „To Let Myself Go“ und „One“, ihrer Hymne auf alle Grassroots-Revolutionen, die laut Brun allesamt als Traum beginnen. Für „Do You Remember“ steigerte sie sich fröhlich knatternd in beinah kakofonische Dimension. Ein weiteres Highlight war eine innige Interpretation von Cindy Laupers „True Colors“. Fazit: Feenstaub der herben Art.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2013)

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