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Begründer des Ethno-Jazz

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Der große Multiinstrumentalist Yusef Lateef ist 93-jährig in seinem Heim in Massachusetts gestorben.

„Mein Ziel ist es stets, die Schönheit im Herzen des Hörers zu wecken, die dort schon ruht.“ So umriss Yusef Lateef 2007 im Gespräch mit der „Presse“ seine ästhetische Zielrichtung. Nicht ohne Grund nannte man ihn „Gentle Giant“. Freilich, Sanftheit war gar nicht so selbstverständlich für einen Afroamerikaner des Jahrgangs 1920. Gerade in seiner Generation gab es viele zornige Männer, die die Basis für die Bürgerrechtsbewegung der Sechzigerjahre legten. Lateef versuchte die Welt auf andere Weise zu verändern. Geprägt war er von der Lektüre Martin Bubers sowie seinem islamischen Glauben: Er war ab 1948 Mitglied der reformerischen Ahmadiyya-Gemeinde von Detroit. Damals nahm er den Namen an, unter dem ihn die Jazzwelt heute kennt.

Geboren wurde er aber als William Emmanuel Huddleston in Chattanooga. Tennessee, in der gleichen Stadt also wie die große Bluessängerin Bessie Smith. Der Blues wurde auch zum Fundament seiner Kunst, seine späteren Klangexperimente, aber auch seine Pionierarbeit für das, was man heute Ethno-Jazz nennt, wurzelten stets darin.

Lateef, der eine Zeitlang auch Bill Evans hieß, begann als Saxofonist, spielte aber bald auch Oboe, Flöte und selbst gebastelte Instrumente. In einer Zeit der großen Glaubenskriege im Jazz blieb er stets Wanderer zwischen den Schulen. Das verschaffte ihm große Anerkennung etwa bei John Coltrane. Als Sideman begann er bei Roy Eldridge. Bald arbeitete er mit eigenen Gruppen, war aber stets neugierig genug, um auch als Begleiter von anderen zu spielen. Etwa mit Dizzy Gillespie und Charles Mingus. Als Mitglied des frühen Cannonball Adderley Quintet musizierte er auch mit Joe Zawinul.

Mit Alben wie „Eastern Sounds“ (1961) und „Round The World“ (1964) etablierte Lateef, der auch eine Pilgerfahrt nach Mekka absolviert hatte, sehr früh fernöstliche Klänge im Jazz. Obwohl längst erfolgreicher Profijazzer, studierte er von 1965 bis 1970 an der Manhattan School Of Music. Eine eindrucksvolle Reihe progressiver Werke für das Atlantic Label folgte, darunter Meilensteine wie „Hush'n'Thunder“. Seinen einzigen Grammy bekam er 1988 kurioserweise für das esoterische Album „Yusef Lateef's Little Symphony“. Da war er längst allseits als Großer des Jazz anerkannt. Am 23.Dezember ist er in seinem Haus in Massachusetts im Kreis seiner Familie gestorben. [ Cover von „Eastern Sounds“/Sony]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2013)

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