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Boy George: Das Karma-Chamäleon ist zurück

NETHERLANDS CONCERT NIGHT OF THE PROMS
NETHERLANDS CONCERT NIGHT OF THE PROMSEPA
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Die publikumswirksam gefallene Diva des Bubblegum-Pop der Achtzigerjahre singt wieder mit Feuerzunge: „This Is What I Do“, ein unerwartetes, gelungenes Comeback.

Eigentlich hatte er sich schon in die Anonymität gejausnet. 2009 war er so dick, dass man ihn vor lauter Gesichtsspeck nicht mehr erkannte. George Alan O'Dowd, den die Welt als androgynen Popsänger Boy George geliebt hatte, war ein spektakulär abgestürzter Paradiesvogel. Seinen ersten Tiefpunkt erreichte der einstige Sänger von Culture Club (Hits: „Do You Really Want To Hurt Me“, „Karma Chameleon“) und Jesus Loves You, als er 2005 wegen Drogenbesitzes zu fünf Tagen Straßenkehren in Manhattan verdonnert wurde. Kaum eine Billigillustrierte mochte das auslassen. Boy George in Putzmontur, das zog.

Der einstige Star war nun das, was gebildete Briten abschätzig als „Tabloid Figure“ bezeichnen. Den Kummer darüber versuchte er mit nährstoffhaltiger Selbstverwöhnung zu mildern, getreu dem von ihm schon 2001 geschriebenen Karma-Kochbuch. Das glückte nachhaltig. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Wieder daheim in London fesselte und misshandelte er 2008 im Drogenstupor einen norwegischen Callboy. Dafür gab es 15 Monate Haft. Nach vier Monaten kam Boy George frei und war ganz unten angelangt.

Grantig auf DJ-Besuch in Wien

Weil man in Discos aber kein Leumundszeugnis braucht, gab er ab sofort den House-DJ. Als solcher gastierte er vor eineinhalb Jahren auch in Wien. Die von ihm aufgelegte Musik, meist technoid aufgepeppte Discohits, war ernüchternd konventionell. Sein Benehmen nicht. Mit einer ungesunden Mischung aus Hybris und Frustration mimte er den launischen Superstar. Wahrscheinlich war er damals schon auf Diät und hatte es schwer, leichten Sinns zu sein...

Egal, dieser Tage präsentiert er sich rank und schlank wie zu seinen besten Zeiten. Auf dem Cover seines Comebackalbums „This Is What I Do“ mimt er ein nachdenkliches Pelzgoscherl mit Mädchenarmband und Feder am Hut. Und weil er gleich im ersten Lied „King Of Everything“ so richtig gut katholisch bereut, hat man ihn sofort wieder lieb. „You know I'm sorry for the times I made you cry, I made an art of letting you down“, raunt er mit merklich tieferer Stimme. Klug, dass er sich Zeit nimmt für die Reue. Sängerinnen weben im Hintergrund einen bezaubernden Wimmersoundteppich, auf dem sich Boy George würdevoll seiner Zerknirschung anheimgeben kann. 18 Jahre lang hat er kein Album mehr aufgenommen, nun triumphiert er mit zwölf formschönen Weisen zwischen Pop, Soul und Reggae. Völlig aus dem Blauen kommt dieser Erfolg aber nicht. Mit Antony Johnson trillerte er 2005 das anheimelnde Duett „You Are My Sister“. Fünf Jahre später verfügte er sich unter die Obhut von Amy-Winehouse-Produzent Mark Ronson und schuf mit dem Miike-Snow-Sänger Andrew Wyatt das ekstatische „Somebody To Love“. Dringlicher hatte man Boy George seit den glorreichen Tagen von Jesus Loves You nicht mehr singen gehört.

Zuneigung für Yoko Ono

Auffällig war, dass er dabei ausschließlich die tiefen Register übernahm. Manche unkten von kaputter Stimme, aber dieses markant dunkler abstrahlende Organ eignet sich ideal für die Art von Lebensbeichte, die Boy George nun mit seinem neuen Opus in Angriff genommen hat. Selbst seinen langen Phasen der Orientierungslosigkeit gewinnt er Gutes ab. „If you don't know where you're going, any road will take you there“, philosophiert er im zart pulsierenden „Any Road“. Und selbstverständlich hat auch die Idee der romantischen Liebe wieder Saison. Boy George ist so kühn, dass er gar den Versuch einer Vermessung macht: „Bigger than you, bigger than me, love is bigger than war. Bigger than The Beatles, The Rolling Stones, Bigger than Elvis – but not Yoko“, singt er im Schatten aufschrillender Trompeten. Seine frisch aufgeflammte Zuneigung für die Lennon-Witwe zeigt sich auch in der vibrierenden Version von Onos Klassiker „Death Of Samantha“.

Alle anderen Songs stammen aus eigener Feder, darunter so gelungene Roots-Reggae-Exkursionen wie „My Star“ und „Love And Danger“, die in dieser Güte auch von Horace Andy oder Dennis Brown stammen könnten. Ein Highlight ist auch das Trennungslied „It's Easy“, das vom Duktus durchaus an Leonard Cohens Alterswerk gemahnt. „It's easy, when you're the one who stops loving first“, singt er mit gepresster Stimme und nimmt sich kühn aus dem Spiel. „Take the money, take the honey, take the light out of the sky – we all know no one wins, when a heart gets broken.“ Das ist exakt die Groschenromanlyrik, für die man ihn während seiner glorreichen Culture-Club-Tage geliebt hat. Ohne Zweifel: Boy George ist in all seiner Glorie zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2014)

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