Michael Bublé: Allzweckschmuser

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Michael Bublé, 38-jähriger Kanadier mit italienischen Wurzeln und ein Frauenschwarm, hat 37 Millionen Alben verkauft. Nun kommt er erstmals nach Wien.

Dass Schmachtfetzen immer schon besondere Wirkung auf die Damenwelt hatten, ist bekannt. Selbst TV-
Mafioso Tony Soprano wusste das und brachte seiner die Welt und speziell ihren Sohn verdammenden Mutter ein paar Scheiben von Schmalztenor Mario Lanza ins Altenheim. Wenigstens für ein paar Minuten war die von Nancy Marchand hinreißend dargestellte Livia Soprano in höheren Sphären. Auf dieses Wunder ist der 38-jährige, kanadische Sänger Michael Bublé ebenfalls abonniert. Seit 2005 ist er weltweit damit im Geschäft. Seine Gemütslagentransformationsarbeit ist ohne Zweifel harte Arbeit. Dennoch ist Bublé eine gewisse Sprezzatura dabei nicht abzusprechen. Er hat diese gewisse Leichtigkeit, die in seltenen Momenten sogar an Dean Martin erinnnert. Dabei orientiert er sich als Sänger lieber an Francis Albert Sinatra, der wie Bublé italienisches Blut hatte.

Grandpa hat gut investiert. Grandpa Mitch, ein aus Treviso stammender Installateur, der nach Kanada ausgewandert ist, zahlte für Bublés erste Gesangsstunden. Er hat gut investiert. Bublé hat bislang circa 37  Millionen Alben verkauft. Seinen neues-
ten Streich, „To Be Loved“, startet Bublé mit einer swingenden Version des Sinatra-Hits „You Make Me Feel So Young“. Ganz an das Ende platzierte er einen anderen von Sinatras Signaturesongs: „Young At Heart“.
Assoziationen mit Ol’ Blue Eyes sind offensichtlich sehr erwünscht. Wie Sinatra operiert Bublé auch mit Vorliebe mit der großen orchestralen Geste. Dank seiner weltweiten Millionenverkäufe darf er das auch in Zeiten, in denen die Controller die Herrschaft in den Plattenfirmen übernommen haben. Während ein Sinatra das Spiel mit der Entertainmentindustrie noch selbst diktiert hat, ist Bublé vom Charakter her ein Konfliktvermeider. Nur zu willig lässt er sich von seinem Management in die Rolle eines Allzweckschmusers pressen. Während Sinatra, ein liberal denkender, radikaler Individualist, Konformismus und Kommerzdenken verachtet hat, lässt sich der sanftmütige Bublé gern auch mal von seinem Produzenten, Bob Rock, instrumentalisieren. Das gnadenlose Middle-of-the-Road-Repertoire des neuen Albums dürfte auf Rocks Vorstellung von Breitenwirksamkeit zurückzuführen sein.

Inspiration von Dean Martin, Barry Gibb. Bublé singt Bryan Adams „After All“, kommt dann mit dem sorgfältig intonierten Dean-Martin-Hit „Nevertheless (I’m in Love with You) auf die Überholspur und zieht letztlich mit „To Love Somebody“ von den Bee Gees davon. Immerhin hat der große Barry Gibb schon einmal bei „How Can You Mend a Broken Heart“ Harmoniegesang zu Bublés abwaschbarer Version dieses oft von Soulsängern interpretierten Bee-Gees-Highlights gesungen. Die Titelnummer „To Be Loved“ ist eine Hommage an den großen, afroamerikanischen Sänger Jackie Wilson und bei „Have I Told You Lately“ kommt gar Elvis Presley ins Spiel. Mit anderen Worten: Das Album tönt wie ein von mannbaren Frauen mehrerer Generationen zusammengestelltes Wunschkonzert. Dabei hat Bublé in der Vergangenheit durchaus versucht, ein wenig vom Mittelstreifen des Unterhaltungsgeschäfts wegzukommen. Er hat beispielsweise Van Morrisons Frühsiebziger-Ballade „Crazy Love“ hinreißend inter-
pretiert und auch die raue Soulsängerin Sharon Jones zum Duett gebeten.

Ebenfalls auf dem neuen Album ist deren Band, The Dap Kings, mit von der Partie. Dennoch ahnt Bublé, dass er niemals als Soulsänger gelten wird. „Mir ist schon klar, dass ich nicht schwarz bin. Trotzdem will ich mich an Soulsongs versuchen. Ich kann es einfach nicht lassen.“ Tapfer ist er auch darin, sein Schicksal als Frauenliebling
beinah widerspruchslos anzunehmen. „Ich weiß, dass ich niemals den Lorbeer des Feuilletons bekommen werde.
Kollegen, die nur 5000 Alben verkaufen, sind halt cooler, weil sie Underdogs sind.“ Aber er braucht keine Angst zu haben, die Massen werfen liebend gern Kleingeld über ihn.
Das summiert sich und ist krisensicher. Für das Durchschnittliche in Aussehen und Intonation hat es immer schon massenhaft Publikum gegeben. Die Verehrungswut seiner größtenteils weiblichen Fans stößt sich nicht einmal daran, dass Bublé im April 2011 in einer privaten Zeremonie in Buenos Aires geheiratet hat und Vater geworden ist. Seine Auserwählte ist die argentinische Schauspielerin Luisana Lopilato, die sich den Sänger bei der Erstbegegnung von einem Freund vorstellen ließ. Bublé erinnert sich: „Wir aßen gemeinsam zu Abend und mir fiel auf, dass Luisana viel mit ihrem Mobiltelefon herumspielte. Ich sagte nichts. Ein paar Monate später gestand sie mir, dass sie ihren Eltern textete: „I met my dream guy – he’s gay.“ Diese Fehleinschätzung war er gewillt aufzuklären.

Die Millionen anderen Fälle von Projektion müssen einstweilen noch unbearbeitet liegen bleiben. Er hofft, dass wenigstens ein Teil der Damen in der eigenen Sehnsucht das utopische Moment erkennen möge. Wobei angesichts der glasigen Augen seiner weiblichen Fans anzunehmen ist, dass sie ihn unter Reduktion der Tiefenschärfe absolut „sfumato“ wahrnehmen und schon allein deshalb dem Vernunftargument nicht zugänglich sind. Nach einer kurzen Phase der Hybris hat sich Bublé an solch ungestüme Schwärmerei gewöhnt.

Auf der Bühne witzelt er nun gern darüber. Dabei nervt er nicht mit jener zwanghaften Selbstironie, mit der etwa ein Robbie Williams ständig hausieren geht. Bublés feiner Humor findet auch in Liedtexten seinen Niederschlag; großen Spaß machte ihm das Komponieren von „It’s a Beautiful Day“, einem kraftvoll jubilierenden Anti-
liebeslied. Mit viel Aplomb singt er da: „I’m glad that you’re the one that got away.“ Rückschlüsse auf den Zustand seiner Ehe sollten all die Miezen, Puppen und Schatzis da draußen allerdings vorschnell keine ziehen: „Die Familie ist mir das Wichtigste auf der Welt“, sagt der wohlhabendste Durchschnittstyp der Welt. Ganz ohne Unbehaglichkeit.

Tipp

Michael Bublé kommt am 25. Jänner 2014 um 19.30 Uhr in die Wiener Stadthalle, Halle D. www.stadthalle.com

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