Pop

Drogen, Ruhm und Gay-Ikonen

Rufus Wainwright
Rufus Wainwright (c) APA/EPA/ETTORE FERRARI (ETTORE FERRARI)
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Mit sechs begannt er, Klavier zu spielen, mit 13 kam das Outing, mit 14 interessierte ihn die Oper. Musiker und Komponist Rufus Wainwright gibt Einblicke in ein "privilegiertes Leben".

„Sing Me the Songs That Say I Love You“, die filmische Hommage an Ihre Mutter, die Folkmusikerin Kate McGarrigle, lief auf der Berlinale. Wie waren die Reaktionen?

Rufus Wainwright: Ich empfand es als große Ehre, dass der Film gezeigt wurde. Die Verantwortlichen haben ein echtes Event aus der Vorführung gemacht. Es ist nicht der einfachste Film, dafür aber ein sehr bewegender.

Der Tod der Mutter ist gerade für Männer eine sehr schwierige Erfahrung. Hat Sie dieses Ereignis verändert?

Auf alle Fälle. Mein Album „All Days Are Nights – Songs For Lulu“ entstand rund um den Tod meiner Mutter. Es sind die anspruchsvollsten Lieder, die ich bis dahin komponiert hatte. Nach ihrem Tod war es sehr wichtig, mich in der Kunst zu verlieren.

Sie haben mal gemeint, dass Kate & Ann McGarrigle, das Musikprojekt Ihrer Mutter, nicht richtig gewürdigt wurde. Wieso?

Sie waren tolle Musikerinnen, schöne Frauen und gute Mütter. Was sie nicht hatten, war dieser wilde Ehrgeiz, den viele Größen im Showbusiness haben. Außerdem bestanden sie darauf, in Kanada zu bleiben. Als sie Mütter wurden, machten sie das zum Zentrum ihrer Existenz, was ein guter Zug ist. Besser als nur Grammys gewinnen zu wollen.

Hat Ihnen Ihre Mutter etwas zu den Fallstricken des Musikbusiness sagen können?

Meine Mutter hatte ein sehr ambivalentes Verhältnis zum Erfolg. Ein Teil in ihr wäre gerne ein richtiger Star geworden. Reichtum und Glamour hätten ihr schon gefallen. Aber es ging ihr in erster Linie doch um die Qualität der Musik. Als ich als junger Mann bereits bekannt wurde, war sie glücklich, aber auch ein wenig eifersüchtig.

Was befähigt Sie, den Ruhm emotional auszuhalten?

Die Portion Ruhm, die ich genießen darf, macht nicht viele Probleme. Wenn mir zuweilen Paparazzi auflauern, dann gehe ich ihnen entgegen. Sie machen dann ihre Bilder und verschwinden. Bei dieser Sorte Mensch darfst du kein Fluchtverhalten zeigen.

Sie haben eben „Vibrate“, Ihr erstes Best-of-Album, veröffentlicht. War es schwierig, die richtigen Songs auszuwählen?

Mein Freund Neil Tennant von den Pet Shop Boys half mir dabei. Er hat eine erste Liste angefertigt. Ich besserte dann nur das eine oder andere aus. Es ist ein Best-of- und kein Greatest-Hits-Album. Bei der Zusammenstellung ging es um die Qualität der Lieder, nicht um die Positionen, die sie in den Charts erreicht haben.

Sie interpretieren darauf auch „Across The Universe“ von den Beatles. Was war Ihr wichtigster Beatles-Moment?

Eben dieser Song. Ich lernte ihn zu 9/11, weil ich am Vortag bei Sean Lennon eine Session im Dakota-Building in New York hatte. Am nächsten Morgen erwachten wir mitten in einer Katastrophe. Ich spazierte durch den Central Park zu Lennon und wir spielten stundenlang „Across The Universe“. Das war geradezu magisch. Mir wurde da wieder bewusst, welch privilegiertes Leben ich führen darf.

Zuletzt kooperierten Sie als Komponist und Ko-Sänger mit Robbie Williams, der sagt, er sei zu 49Prozent schwul. Wie war das?

Ich wusste schon lange, dass Robbie ein Fan meiner Arbeit war. Jetzt wollte er mal probieren, wie es ist, etwas gemeinsam zu komponieren. Das taten wir. Nicht alles schaffte es auf sein Album, aber das lustige „Swing Both Ways“. Ich war sehr angetan von Robbie, nicht zuletzt wegen seines Aussehens. Ich finde ihn sehr fesch. Er hat so eine wilde Fantasie, zwanzig Ideen auf einmal, ich hingegen gehe methodisch vor. Wir waren ein gutes Team.

Sie flirteten 15 Jahre mit dem Tod, als sie Drogen nahmen. Wohin verschwinden die destruktiven Impulse, wenn man clean wird?

Trotz dieser bösen Erfahrungen würde ich nicht sagen, dass ich einen nihilistischen Charakter habe. Meine Erfahrung mit Drogen hatte nichts prinzipiell Destruktives. Ich habe mich einfach in den dunklen Farben meines Malsets ausprobiert, suchte Inspiration. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich dem Tod ins Antlitz sah. Da ich nicht sterben wollte, riss ich das Steuer herum. Anderen Kollegen wie Kurt Cobain, Jeff Buckley und Amy Winehouse glückte das leider nicht. Die wollten alle nicht sterben, aber es lag offensichtlich eine Art Fluch über ihnen. Bei mir kann man es schon an der Musik hören, dass da Licht ist in aller Melancholie.

Rund um die Olympiade war viel westliche Kritik an Vladimir Putins Anti-Homosexuellen-Gesetz zu hören. Wie sehen Sie das?

Der mögliche Krieg überschattet diese Problematik. Russland ist so anders als Europa und die USA. Es ist ein eigener Planet. Mich macht die Situation dort neugierig. Der Westen macht es sich zu einfach, wenn er sagt: Die sind böse, wir sind gut. Das ist gefährlich.

Sie haben sich bereits mit 13 Jahren geoutet und die Leben von Cole Porter, Oscar Wilde und Tschaikowsky auf schwulen Lebensstil hin untersucht. Waren die vorbildhaft?

Damals war die Welt noch eine andere. Es war die Zeit, als Aids den schwulen Teil der Bevölkerung stark dezimierte. Alles war sehr beängstigend. Homosexuelle führten eine klandestine Existenz. Meine Eltern waren nicht gerade erfreut. Vater fand sich besser damit ab, aber meine Mutter stichelte auch später gerne. Für mich war es wichtig, den Lebensstil dieser Gay-Ikonen, die in viel schwierigeren Zeiten lebten, zu studieren. Ich brauchte diese Inspiration und hoffe, dass junge Russen heute mein Leben inspirierend finden.

Steckbrief

1973 als Rufus McGarrigle Wainwright in Rhinebeck, New York, geboren.

1998 Debütalbum mit anspruchsvollem Klavierpop. 2003 und 2004 Aufnahme der Alben „Want“ und „Want2“. 2009 Premiere seiner ersten Oper „Prima Donna“ in Manchester. 2014 erscheint sein Best-of-Album „Vibrate“. Wien-Konzert: 28.3., 20Uhr, im Museumsquartier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2014)

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