Pop

Der Blues kommt auch aus der Steiermark

(C) Gerald Ganglbauer
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Sir Oliver Mally begeisterte im Wiener Porgy & Bess. Seine Musiker, die nicht nur durch den Blues sozialisiert wurden, komponieren auch vorzüglich.

Das heimische Äquivalent zum Mississippidelta, dem Ursprungsort des Blues, liegt wohl irgendwo in den sanften, südsteirischen Hügellandschaften zwischen Sulm und Mur. Von dort stammt Österreichs konsequentester Blueser, Oliver Mally. Wie das „Sir“ vor seinen Namen kommt, darüber gibt es viele Geschichten. Stets handeln sie davon, wie sich einer die Würde in würdelosen Umständen bewahrt. Die Rahmenbedingungen der vazierenden Branche sind härter geworden, seit Mally vor 25 Jahren seine Kombo The Blues Distillery gegründet hat und sich einen attraktiven Mischstil erarbeitet hat, der gleichermaßen räudig wie soulful klingt. Dieser Tage, sagt er, spielt ein Bluesmusiker international oft nur solo für „eine Schüssel Spinat und ein Zimmer“. So etwas halten nur die leidenschaftlichsten Charaktere aus.

Egal, ins Wiener Porgy&Bess war Mally sowieso mit seiner famosen Band gebucht. Seine Musiker, die nicht nur durch den Blues sozialisiert wurden, komponieren auch vorzüglich. Das reichert Mallys musikalische Hausmarke mit wichtigen Spurenelementen von Jazz, Soul und Pop an. Hätte das Album „Fleeting Moments“ einen fähigeren Vertrieb gehabt, wäre es wohl ein internationaler Erfolg geworden. Wenigstens beim heimischen Publikum ist es angekommen.

Der Dorfstrizzi, die „Hoochie Mama“

Ins prall gefüllte Porgy&Bess entließ Mally zunächst erhaben elegische Tonfolgen. Auf insgesamt vier Gitarren verteilte er seine glühenden Sounds, die durchaus Vergleichen mit Meistern wie Albert King und Albert Collins standhalten. Geschickt verrätselte Mally die zwielichtigen Helden seiner Songs. Der Dorfstrizzi verwandelte sich da in einen beinah mondänen „Small Town Hustler“. Bei anrüchigen Frauengestalten wie älteren Prostituierten beließ es Mally bei klassischem Bluesvokabular: Mit Inbrunst berichtete er über die heißen Aktionen einer „Hoochie Mama“.

Ein Highlight war das nachdenkliche „Fleeting Moments“, mit dem zentralen Gedanken, dass womöglich das Flüchtige des Lebens gerade das Bleibende sein könnte. Martin Gasselsberger brillierte an Keyboards und Orgel, Schlagzeuger Willie Hackl sang begeistert auch ohne Mikro mit. In „Champagne and Reefer“ wurde vital der Realitätsflucht gehuldigt, in „Devils Child“ das Bekenntnis zur Sünde getätigt. Selbst die gewagte Coverversion von Bob Dylans „Like a Rolling Stone“ glückte, weil Mally sich da als Sänger souverän zwischen raspeligem Bariton und Altersfalsett bewegte. Standing Ovations.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2014)

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