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Bela B.: „Ich fand Virtuosität abstoßend“

„Ich merkte sofort, dass diese Schwermut und Kraft gut zu mir passten.“ Der heute 51-jährige Dirk Felsenheimer vulgo Bela B. über seine erste Begegnung mit Country und Rockabilly im alten Westberlin.
„Ich merkte sofort, dass diese Schwermut und Kraft gut zu mir passten.“ Der heute 51-jährige Dirk Felsenheimer vulgo Bela B. über seine erste Begegnung mit Country und Rockabilly im alten Westberlin.(c) Wohnzimmer Promotion
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Bela B., Schlagzeuger der Ärzte, steht zu seinen Punk-Idealen. Auf seinem neuen Soloalbum, „Bye“, allerdings zeigt er sein Herz für Rockabilly, Country, Kitsch und Schund.

„Die Drogen haben verhindert, dass sich ein großes Erinnerungsvermögen aufgebaut hat“, sagt Maria Zastrow, gebürtige Wienerin, die einst im Westberliner Undergroundtempel Risiko serviert hat. Das Lokal, in dem auch Blixa Bargeld kellnerierte, sperrte vor 28 Jahren zu. Wider Erwarten ist es immer noch im Gedächtnis einiger seiner Gäste, darunter Nick Cave, Christiane F. und Wim Wenders. Und auch ein hoffnungsvoller Jungpunk namens Dirk Felsenheimer, der das praktizierte, was die Briten „shoulder rubbing with the glitz“ nennen. Die alternative Schickeria, die er bestaunte, war zutiefst selbstdestruktiv. Da tat es gut, dass Kellnerin Zastrow immer wieder Country- und Rockabilly-Kassetten in den Recorder schob. „Ich merkte sofort, dass diese Schwermut und Kraft gut zu mir passten“, sagt Felsenheimer heute.

Als Bela B., als Schlagzeuger der deutschen Punkband Die Ärzte, ist er berühmt. Doch jetzt hat der soignierte Gentleman B., ein Mann von mannigfaltigen Interessen zwischen Comics, Pulpliteratur und Film, sein drittes Soloalbum, „Bye“, veröffentlicht. Es enthält 14 auf der Gitarre komponierte Songs, die wissend zwischen Kitsch und Schund balancieren. Eingespielt hat er sie mit der Nürnburger Band Smokestack Lightnin', die er im Radio gehört hat („Sie brachten mich zum Träumen“), und mit den Gastsängerinnen Peta Devlin und Lynda Kay.

Im Fernsehsessel von Lee Hazlewood

Illustre Gäste hatte Bela B. schon früher. Auf dem Vorgänger, „Code B“, spielte Chris Spedding Gitarre, auf dem Solodebüt, „Bingo“, gab es gar ein Duett mit dem großen Lee Hazlewood. Wie das zustande kam? „Dank eines Freundes.“ Bela B. war dann sogar bei Hazlewoods Geburtstagsfest eingeladen, in dessen Haus in Henderson, Nevada: „Ich durfte mir in seinem Fernsehsessel das Endspiel der Fußball-WM 2006 anschauen.“

Während er bei seinem inzwischen (2007) verstorbenen Helden Hazlewood von der abgeklärten Art beeindruckt war, mit der er seine letzten Konzerte bewältigte, so fiel ihm beim aktuellen Stargast Lynda Kay zuerst die Frisur an der Bilderwand eines Tonstudios in San Diego auf: Die Dame trägt abenteuerlich auftoupiertes Haar, wie es in den frühen Sechzigern modern war. Als sich dann ihr Gesangsstil als mindestens ebenso altmodisch erwies, biss der Nostalgiker in Bela B. sofort an. Das fönwellig rumpelnde Rockabilly-Stück „My Soul/Dein Herz“ ist ideales Vehikel für die beiden radikalen Kitschcréateure. „Linda hat ihren Gesang ganz anders angelegt, als ich es mir vorgestellt habe. Sie hat so eine Zarah-Leander-Nummer abgezogen. Das hat mir extrem gut gefallen, auch weil es sich total von Peta Devlins Gesang abhebt.“ Devlin fährt sangesmäßig eine ganz feminine Linie. So auch in „Nicht Nice“. Über seine Konzentration auf die üppigen Melodien vergaß Bela B. sogar seinen rhythmischen Perfektionsgeist: „Ich hab dem Schlagzeuger gar nichts vorgegeben. Das wäre fatal gewesen.“

Stand er als Punk in fundamentaler Opposition zu den Werten der bürgerlichen Gesellschaft? „Um Subversion hab ich mir keine Gedanken gemacht“, erinnert er sich, „Musik war vor allem eines: Befreiung. Ich fand Virtuosität abstoßend. Gitarrengewichse, das ging gar nicht.“ Heute lässt er selbst ausgesuchte Gitarren heulen. Als Alterserscheinung will er das nicht verstanden wissen.

Damit die Aufnahmen zu „Bye“ nicht allzu glatt über die Bühne gehen, hat sich Bela B. etwas Spezielles ausgedacht. Er wollte vor jedem Song einen Einzähler platzieren, den eine Künstlerin spricht, die er verehrt. „Was als sportliche Herausforderung begann, artete bald in Stress aus“, seufzt er. Wanda Jackson, Joan Jett, die 80-jährige Bibi Johns und sogar die als schwierig verschriene Lucinda Williams – alle bekam er. Nur bei seiner Königin, Emmylou Harris, versagte er. „Es war ein neues Aufnahmegerät. Ich vergaß die Pausetaste zu entriegeln . . .“

Pech. Mehr Glück hat er mit sich selbst. Seit 16 Jahren in Hamburg ansässig, genießt er das Alleinsein. „Ich hänge nicht mehr in Rockstarkreisen herum. Ich brauch ein normales Umfeld. Bei einem so großen Erfolg, wie ich ihn mit den Ärzten habe, bekommt man nie die Anerkennung von jenen, von denen man sie gern hätte.“ In diesem Sinn tourt er jetzt solo durch kleine Hallen.

Live am 16. Mai im Posthof Linz und am 18. Mai in der Arena Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2014)

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