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Jan Delay: „Heino ist ein Nazi“

Jan Delay
Jan Delay(C) Delay/ Paul Ripke
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Nach Hip-Hop, Reggae, Soul und Funk versucht sich Delay nun an Rockmusik. Seinen Hang zu krassen Formulierungen hat er behalten. So findet er Heino gar nicht lustig, Hoeneß hält er dagegen für nicht so unsympathisch.

Jan Delay, der coole Styler aus dem hohen Norden, versucht sich an neuer Gestik: Auf Werbefotos für sein neues Album „Hammer & Michel“ formt er seine Finger zum Mano cornuta, dem in Rockerkreisen verbreiteten Satansgruß, der im hohen Norden flapsig Pommes-Gabel genannt wird. „Die Presse“ grüßte er nicht so, als er sie standesgemäß im Wiener Hotel Imperial traf.

Die Presse: In der Unterhaltungsbranche besteht immer die Gefahr, dass sich das Ego zu sehr aufbläht. Pflegen Sie Rituale der Demut?

Jan Delay: Mein ganzer Tagesablauf besteht praktisch daraus. Ich glaube, dass es auch mit Demut zu tun hat, wenn man versucht, sein normales Leben weiterzuleben. Wenn ich beim Brötchenkaufen angesprochen werde, dann sage ich halt: Hey Leute, lasst mich doch hier ganz normal sein. Oder wenn ich in einen Club gehe, um dort zu dancen, und nicht in einer VIP-Lounge abjamme, wo es ohnehin langweilig ist, dann wünsch ich mir, dass nicht alle dort mich um ein Foto bitten. Wenn das einmal nicht mehr geht, dann muss ich mich verpissen. Nach Ibiza oder so.

Zum Song „Wacken“ haben Sie ein Video, das Sie zeigt, wie Sie in Rosa und Weiß übers Gelände des Rockfestivals von Wacken schreiten. Fühlten sich da die konservativen Rocker nicht provoziert?

Provokation wäre ja beabsichtigt gewesen, allein sie gelang nicht. Es war tatsächlich das Festival mit den liebsten Menschen, das ich je besucht habe. Erst später kam Hass aus dem Metal-Lager.

Sie beklagen in der „Scorpions-Ballade“ die strikten Verhaltenkodizes in Gegen- und Jugendkultur. Gab es auch Unmut, als Sie von der reinen Lehre des Hip-Hop abgewichen sind?

Es war nicht jeder begeistert, aber es wurde niemand bösartig. Die Realität sieht freilich anders aus. Die Kids kennen keine Genregrenzen mehr. Die können sich per Knopfdruck jede Subkultur reinpfeifen.

Ist das wirklich gut so?

Das ist jedenfalls das Paradies, von dem wir bei meiner alten Gruppe, den Absoluten Beginnern, geträumt haben. Damals gab's Typen, die maulten: Hey, ihr macht keinen echten Hip-Hop, ihr nehmt da Reggae und Bossa Nova rein. Wir hätten uns damals gewünscht, dass es so ist wie heute. Nachteil ist, dass alles zu einer riesigen Grauzone, zu einer großen Koalition wird, wo du nicht mehr ausmachen kannst, wer Freund ist und wer Feind.

Aber Sie sangen früher selbst ein Stück mit dem Titel „Ich will nicht, dass ihr meine Lieder singt“. Ging es Ihnen nicht doch darum, ein Territorium abzustecken?

Vielleicht. Es ging darum, Leute rauszuhalten. Ich fühlte mich scheiße, wenn Soldaten oder Polizisten unsere Songs geil gefunden haben. Es war eine andere Zeit.

Krass war doch auch, als Heino deutsche Popsongs interpretierte und sich mit Rammstein auf die Bühne stellte.

Das war wirklich schlimm. Wir haben extra nichts gesagt, weil wir ihm kein Forum geben wollten. Alle sagten plötzlich: Ist doch lustig, ist doch Heino. Nee, das ist ein Nazi. Das vergessen die meisten Leute, wenn die Leute über Heino reden. Der Typ hat in Südafrika während der Apartheid im Sun City gesungen. Und sein Repertoire: „Schwarzbraun ist die Haselnuß“, Soldatenlieder... Es ist schrecklich, wenn so jemand einen Song von dir singt.

Wie war die Suche nach den neuen Sounds für „Hammer & Michel“?

Schwer. Mein Gitarrist ist Gott im Funk und Jazz, aber Rock ist für ihn neu. Bald merkten wir, es klingt nicht so geil wie bei AC/DC. Da war klar, wir brauchen zwei Gitarren und mehr Wissen, welche Verstärker für uns ideal sind. Das hat dann fast ein Jahr gedauert.

Im Album-Opener „Liebe“ singen Sie tatsächlich, dass Sie „Liebe“ für Uli Hoeneß fühlten. Wie kann es so was geben?

Das bezieht sich auf eine alte Textzeile im Beginner-Song „Danke“. Darin hieß es: Ich danke allen, die Style haben, und allen, die nichts mit Uli Hoeneß gemein haben.“ Ich wollte eine Person im Song haben, die alle unsympathisch fanden. Aber dann wird man älter und checkt: Natürlich ist er Wurstfabrikant und bei der CSU, aber irgendwie ist er ein geiler Typ, weil er sagt, was er denkt.

Haben Sie mit „Dicke Kinder“ an einem Tabu gerührt?

Ja, absolut. Aber es muss den Hörern klar sein, der Song ist über dumme Eltern und nicht über dicke Kinder. Um das richtig zu verstehen, brauchst du vom Humor her eine Punkrockader. Mir war das Thema wichtig. Die falsche Ernährung passiert ja nicht nur in der Hochhaus-sechs-Uhr-Früh-Fernseher-an-Subkultur. Auch Haushalte mit Jan-Delay-Alben bestellen Pizza. In jedem Fall können die armen Kids nichts dafür, wenn ihre Alten zu faul sind, um Gemüse zu schälen.

ZUR PERSON

Jan Delay, mit bürgerlichem Namen Jan Phillip Eißfeldt, wurde 1976 in Hamburg geboren und maturierte 1995 dort. Er begann 1994 in der Hip-Hop-Formation Absolute Beginner (später: Beginner). Sein erstes Soloalbum „Searching For The Jan Soul Rebels“ (2001) enthielt starke Reggae-Elemente, das zweite und dritte („Mercedes-Dance“, „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“) klangen nach Funk und Jazz. Nun versucht er sich mit seiner Band („Disko No.1“) im Rockidiom.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2014)

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