Pop

Österreich ist Ko-Favorit auf den Sieg

Conchita Wurst überzeugte am Donnerstagabend und startet auf Platz elf im heutigen Finale.

„Songcontest-tauglicher als die Conchy kann man nicht sein“, schrieb der österreichische Musiker Elija kurz nach der Semifinalentscheidung des Liederwettbewerbs. Der in Berlin lebende Singer-Songwriter, der 2013 bei der Vorausscheidung zum Eurovision Songcontest (ESC) teilnahm (bei der sich Natalia Kelly durchsetzte), brachte es in seinem Facebook-Kommentar auf den Punkt.

Travestiekünstler Tom Neuwirth, der seit 2011 als bärtige Diva Conchita Wurst auftritt und als neues Idol der europäischen Queer-Community gilt, überzeugte beim Semifinale des europäischen Liederwettbewerbs am Donnerstagabend in Kopenhagen nicht nur gesanglich. „Rise Like a Phoenix“ ist eben mehr als nur ein Lied, um Thomas Forstners Beitrag aus dem Jahr 1989 zu zitieren. Das Gesamtkonzept aus professioneller Performance, Glamourfaktor und Unverwechselbarkeit stimmt und funktioniert.

Schweden, Holland und Österreich

„Austria“-Sprechchöre, wie am Donnerstag in der Kopenhagener B&W Hallerne, hörte man beim Eurovision Song Contest, der sich im 59. Jahr erstaunlich gut gehalten hat, schon länger nicht mehr. In den Vorjahren spielte Österreich nur eine Statistenrolle: Der brave Auftritt von Natalia Kelly („Shine“; 2013) ging in der kunterbunten ESC-Welt unter. Lauter legten es die Trackshittaz im Jahr zuvor an: Mit „Woki mit deim Popo“ blieb das Duo jedoch im Semifinale am letzten Platz kleben. Immerhin ins Finale schaffte es Nadine Beiler 2011 (Platz 18 von 25 Nationen). Den letzten Top-Ten-Platz bescherte uns Alf Poier 2003 mit „Weil der Mensch zählt“. Also ausgerechnet jener Kabarettist, der zuletzt Conchita Wurst medienwirksam verbal unter der Gürtellinie angriff. Wobei noch immer nicht geklärt ist, ob es sich dabei nicht um einen geschickten Marketing-Gag handelte, immerhin haben Poier und Conchita Wurst einen gemeinsamen PR-Agenten.

Bei den Wettanbietern zeichnet sich die steigende Popularität von Conchita Wurst in den Quoten ab: Österreich gilt auf William Hill etwa gemeinsam mit Schweden und den Niederlanden als Topfavorit. Schweden – vertreten durch Sanna Nielsen („Undo“) – setzt wie Österreich auf eine jener großen Balladen, die schon Celine Dion 1988 zum Star machten. Das niederländische Duo The Common Linnets setzt auf Country („Calm After the Storm“), der sich positiv von der Großraumdisco-Durchschnittsware – ja, die gibt's beim ESC eben immer noch – abhebt. Auch zeitgenössischer Folk-Pop ist 2014 äußerst präsent. Ob aus Deutschland (Elaiza mit „Is It Right“) oder aus Großbritannien (Molly mit „Children of the Universe“). Mit Ungarn geht es auf Zeitreise in die Drum'n'Bass-getunkten 1990er („Running“ von Kállay-Saunders), mit Polen auf einen Abstecher ins Softporno-Genre (Donatan & Cleo mit „My Slowianie/We Are Slavic“).

Die Zustimmung für Conchita Wurst war beim Semifinale am Donnerstag jedenfalls nicht zu überhören und -sehen. Während ihres Auftritts gab es Standing Ovations, und als Österreich bei der Bekanntgabe der Finalisten bis zum letzten, zehnten Platz nicht genannt wurde, waren immer wieder „Austria“-Sprechchöre zu hören gewesen.

In Kopenhagens Altstadt tobt schon seit einer knappen Woche der ESC. Im Eurovision Village haben sich fast alle Bars und Nachtklubs auf unterschiedlichsten Mottopartys mit Karnevaleinschlägen dem Schlagerfest verschrieben. Die Fußgängerzone wurde zur Fanmeile umgewandelt. Zudem wärmen sich sämtliche Teilnehmer durch kleine Auftritte in der Altstadt bereits für den großen Tag in der Arena auf. Zu sagen, dass Kopenhagens Zentrum an starkem Eurovisionsfieber leide, ist fast eine Untertreibung. Gleichzeitig ist am weit von der Altstadt entfernten Austragungsort von der Begeisterung nichts zu spüren. Die B&W-Hallen, deren Umbau laut Dänischem Radio sogar drei Millionen Euro mehr gekostet hat als veranschlagt, liegen in einem Werft- und Hafengelände.

Ukraine-Krise überschattet Finale

Auch Russland nimmt am Songcontest teil. Die dänischen Veranstalter hoffen aber, dass es nicht zu politischen Statements kommt. Das ist beim ESC streng verboten. Doch die gab es bereits, als die Ukrainerin nach dem bestandenen Halbfinale sagte: „Alles, was ich hier mache, mache ich für die Menschen in der Ukraine. Hinter mir auf der Bühne stehen 46 Millionen Ukrainer.“ Und auch die Buhrufe als Reaktion bei der Qualifikation der russischen Teilnehmer lassen ein politisch geladenes Finale erwarten. 26 Nationen rittern um die Songcontest-Krone. Österreich geht mit Startnummer elf im Mittelfeld ins Rennen. Der Sieger steht kurz nach Mitternacht fest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.