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Kings of Leon: Rausch und Reue - So geht Rock 'n' Roll!

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kings of leon(c) APA/EPA/THOMAS FREY
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Südstaaten-Rock. Ja, sie saufen noch immer, die Wanderpredigersöhne Kings of Leon. Aber das kann die Innigkeit ihrer Songs nicht stören. Im ausverkauften Festivalgelände von Wiesen feierten sie eine Art Feldmesse.

Was wäre der Mensch ohne Sünden, die er bereuen könnte? Die Kings of Leon, drei Söhne eines bitterarmen, versoffenen Wanderpredigers aus Oklahoma namens Ivan Léon Followill, und ihr Cousin, sind Meister der musikalisierten Selbstzerknirschung. Daran labten sich zunächst nur die Hipster, seit den Welterfolgen von „Sex on Fire" und „Use Somebody" allerdings auch der wachere Teil des Mainstreams. Zu den Fans zählen auf jeden Fall jene, die den spießigen Bohème-Lebenstil der Hipster nicht teilen und sich lieber freuen, wenn die einst unterprivilegierten Burschen für zwei Flaschen edlen Weins durchaus auch einmal 1000 Dollar ausgeben.

Das Märchenhafte ihres materiellen Aufstiegs gefällt, so wie die Tatsache, dass sich dadurch im Grunde nichts geändert hat.

Die interne Hierarchie ist seit Kindheitstagen geklärt. Das Sagen hat Schlagzeuger Nathan, der älteste der Bande. Auch im kreativen Bereich sind die Aufgabenbereiche strikt aufgeteilt. Und so feilen die Brüder in diesen Tagen an einem Stadionrock, der an den musikalischen Subtilitäten der Anfangstage festhält.

Der heftig bejubelte Opener „Supersoaker" vom aktuellen Album „Mechanical Bull" war Paradebeispiel dafür, wie jeder sein Bestes einbringt: fröhlich zwitschernde Gitarren, erdige Drums, nachdenkliche Bassläufe und hoch darüber das kratzige Lamento von Sänger Caleb. „My motivation is gone too soon, back of my mind I'm on my way" sang er sich in diesem Säuferdrama in Rage. Zu viel Zerknirschung sollte aber doch nicht sein: Mit dem quengeligen Bekenntnis „I don't mind sentimental girls at times" hielt er sich ein kleines Hintertürchen zur Lust offen.

Verlorene Söhne am Lagerfeuer

Zum künstlerischen Ehrgeiz der Kings of Leon zählt es, Elemente aus Country, Soul und Südstaatenrock möglichst anstrengungslos zu kombinieren. Das glückte ihnen auf den letzten beiden Alben so gut wie noch nie zuvor. „Back Down South" und das wehe „Pyro", beide von „Come Around Sundown", dem Album, das von Altfans zu Unrecht wüst beschimpft wurde, waren Highlights dieses schönen Frühsommerabends. Zu „Pyro" wurde stilgerecht romantischer Lagerfeuerfunkenflug auf den Videowalls gereicht. Da flirteten selbst strenge Individualisten mit dem wohligen Herdengefühl.

Faszinierend, mit welch bohrender Beharrlichkeit Sänger Caleb, das Bandmitglied mit dem größten Talent zum „verlorenen Sohn", patinierte Songszenarien nach neuen Aspekten ausleuchtete. „Tonight somebody's lover is gonna pay for his sin", hieß es kryptisch in „Tonight". Das erinnerte an die Geworfenheit des Individuums in den Romanen des großen Südstaatenautors William Faulkner.
Fatum scheint es auch zu sein, dass die Followills weiterhin Schlagzeilen mit Gelagen und Groupies machen, obwohl sie seit einigen Jahren trautes Familienleben anstreben. Wenigstens in Teilzeit. Das Saufen ist halt Fluch und Segen dieser Band. Die Ansagen zwischen den Songs klangen mitunter ein wenig lallend. Aber vielleicht war das putzige Verschlucken von Silben einfach auf die berauschende Wirkung der schönen Call-and-response-Passagen dieses Konzerts zurückzuführen.

Innigkeiten dieser Art hat Caleb in einer schönen, an diesem Abend leider nicht gegebenen Ballade als „beautiful war" bezeichnet. Die Unbewohnbarkeit der Welt hängt eben stark mit ihren Bewohnern zusammen. Bei wuchtigen Songs wie „Molly's Chamber" und „Sex on Fire" waren dann aber alle Divergenzen weggeblasen. Ausgelassen tanzten Unbekannte miteinander. Da sangen gerade jene am lautesten mit, deren ramponierte Herzen so eine emotionale Aufwallung für gewöhnlich gar nicht zulassen. So geht Rock 'n' Roll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2014)

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