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Mit Joplin im Mercedes: Bobby Womack ist tot

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FILES AUSTRIA MUSIC WOMACK OBIT(c) APA/EPA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Er gurgelte mit Whiskey, lebte den Schundroman: Der Meister des Autorensouls Bobby Womack ist tot.

Wenn es einer verstand zu leben, dann er. Teure Villen, bootgroße Limousinen, doppelläufige Knarren, Rudel williger Damen und Mehlsäcke voller Kokain prägten in den Siebzigerjahren sein Dasein, letztlich seine Kunst. Brisante Begegnungen mit der Unterwelt blieben nicht aus.

Stoff, der sich in pointierten Liedtexten niederschlug. 1971 hat die Filmindustrie entdeckt, dass sich die krassen Geschichten aus den Armenvierteln als Sujets für B-Movies eignen. Das Genre wurde Blaxploitation getauft, die größten Soul- und Funkstars wurden dafür engagiert. Bobby Womacks Stunde schlug 1972, in „Across 110th Street“, der Titeltrack schaffte es in die Top 20 der Billboard Charts.

1997 griff Regisseur Quentin Tarrantino das Lied auf und setzte es in den Vorspann von „Jackie Brown“ ein, seiner Hommage an Blaxploitation. Das brachte den damals fast vergessenen Soulgroßmeister zurück. Eine neue Generation entdeckte ihn.

Von seinen Krankheiten schon etwas gebeugt, spielte Womack im Vorjahr beim Jazzfest Wien in der Staatsoper. Der „Presse“ gegenüber bedauerte er die Offenherzigkeit seiner Autobiografie „Midnight Mover“. Womack bekam im Rückblick wohl Angst vor seiner einstigen Courage. Der 1944 in Cleveland, Ohio, geborene Musiker lebte den Schundroman leidenschaftlich und stilisierte ihn in Liedern wie „I'm Through Trying To Prove My Love To You“ und „Superstar“. Sein Privatleben war geprägt von Zusammenbrüchen und Gewalt. Höhepunkt war eine Kokainparanoia, bei der er auf seine Schlafzimmertür schoss. Als das Magazin leer war, ging die Tür auf und sein vierjähriger Sohn stand verdutzt da.

Sein Mentor: Sam Cooke. Stabilität fand Womack nur in der Arbeit. Die bescheidenen Anfänge bestritt er mit seinen Brüdern in einer Gospeltruppe. Sein erster, wichtiger Mentor war der große Sam Cooke. Womack entwickelte sich bald zum gewieften Gitarristen und Songwriter. Mit Aretha Franklin nahm er Soulklassiker wie „Rock Steady“ und „Chain Of Fools“ auf. Wilson Pickett glückte mit dem Womack-Song „Midnight Mover“ ein Welthit. Der linkshändige Gitarrist, der stets auf Rechtshändergitarren spielte, bereicherte weitere Welthits wie „The Letter“ von den Box Tops und „Son Of A Preacher Man“ mit seinen verspielten Linien.

Womacks Solokarriere begann 1968 mit dem Album „Fly Me To The Moon“. Er freundete sich mit Sly Stone und Janis Joplin an, arbeitete mit beiden. Der „Mercedes Benz“, den Janis Joplin 1971 im gleichnamigen A-cappella-Song ersehnte, war der von Bobby Womack. Kurz vor ihrem Tod fuhren sie damit durch Los Angeles. Gemeinsam mit Jazzgitarrist Gabor Szabo komponierte er „Breezin'“, das George Benson später zum Jazzklassiker adelte.

Innige Liebe zu Rolling Stones. Zu den Rolling Stones hatte Womack ein besonders inniges Verhältnis. Schließlich hatten sie mit seinem Song „It's All Over Now“ 1963 ihren ersten Nummer-1-Hit in Großbritannien. Womack wirkte am Stones-Album „Dirty Works“ (1986) mit, die Stones unterstützen ihn auf „Resurrection“ (1994).

Auf seinen eigenen Alben, von denen einige wie „I Don't Know What The World Is Coming To“ und „The Poet“ zu Klassikern des Autorensoul wurden, entpuppte sich Womack als Meister des sonor gesprochenen Intros. Unvergesslich das reuevolle Telefonat, das Womack seiner 2-Step-Ballade „How Could You Break My Heart“ voranschickte. Seine raue, aber seltsam flexible Stimme pflegte er, indem er vor Plattenaufnahmen mit Whiskey gurgelte. Das raspelige Organ schmiegte sich dann ideal an Frauenstimmen an, wie jene von Patti Labelle, Lulu oder Lana Del Rey.

Als er, durch jahrelange Rechtsstreitigkeiten zermürbt, sein Interesse an Musik verloren hatte, holte ihn der britische Popmusiker Damon Albarn zurück. Zuerst als Sänger und Texter des Gorillaz-Hits „Stylo“ (2010), dann in voller Pracht mit dem Soloalbum „The Bravest Man In The Universe“ (2012). Wie stets schwärmte er von den Wonnen der Liebe, umkreiste die Prinzipien von Venus und Mars. Sein Soulbuddy Sly Stone neckte ihn wegen dieser Liebesobsession. Aber Womack blieb dabei, auch im späten „Please Forgive My Heart“, einem der besten Songs seines Katalogs. In Gefühlen sah Womack nie das Problem, immer nur in der eigenen Egozentrik. Mit gepresster Stimme bekannte er sein (unser) Versagen: „I'm a liar in a dream, goin my own way, nothing to rely on.“ Jetzt braucht er keine Gewissheiten mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2014)

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