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Jetzt sind alle Ramones tot

Ramones
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Nachruf. Mit Tamás Erdélyi vulgo Tommy Ramone ist das letzte Gründungsmitglied der wichtigsten US-Punkband gestorben. Er hatte deren Konzept der Schlichtheit geprägt.

Hey-ho, let's go!" Tamás Erdélyi, der Mann, der sich diesen Ruf ausgedacht hat, ist 65-jährig an Gallenblasenkrebs gestorben. Die Popwelt kennt ihn als Tommy Ramone, Schlagzeuger und Produzent der Ramones; der Song, der mit dieser skandierten Zeile beginnt, heißt „Blitzkrieg Bop". Was für ein dummer Titel, mag sich der Leser (nicht zu Unrecht) denken; er sollte aber wissen, dass Erdélyi Sohn jüdischer Eltern war, die ursprünglich Grunewald hießen und, nachdem sie den Holocaust im Versteck überlebt hatten, 1956 aus Ungarn über Österreich nach New York emigrierten. Und es ist etwas anderes, wenn Nachkommen von Opfern des NS-Terrors von diesem belastete Wörter halb ironisch verwenden, als wenn dies Nachkommen der Täter tun.

Beeindruckt vom simplen Rock der New York Dolls, gründete Erdélyi bereits 1974 eine Band, die aus Überzeugung auf Virtuosität und komplizierte Strukturen verzichtete. Zum Konzept, das er ausheckte, ohne sich im Geringsten als Konzeptkünstler zu gerieren, gehörte auch, dass alle Mitglieder den gleichen Nachnamen annahmen und fortan Ramones hießen: Joey, Johnny, Dee Dee und Tommy Ramone, eine Bruderschaft des Punk, ein eingeschworener Verein zur Förderung der drei Akkorde, der schlichten Slogans, der Simplizität des Rock 'n' Roll, die im Artrock der Siebziger verloren gegangen schien. So war die Erneuerung, die die Ramones anführten, auch eine Reformation, schon 1979 spielten sie im Film „Rock 'n' Roll Highschool" mit. Die Konzerte dauerten weniger als eine halbe Stunde, die knappen Songs trugen Titel wie „Judy Is A Punk", „Suzy Is A Headbanger", „Sheena Is A Punk Rocker"; neben „Hey-ho, let's go!" kam auch ein zweiter Schlachtruf zum Einsatz: „Gabba, gabba, hey!" Er ziert heute noch T-Shirts junger Menschen, so wie das ikonische Bild der Vier in Jeans und Lederjacken: Die Ramones bilden mit ihren britischen Kollegen von den Sex Pistols und den Clash die Trias der wichtigsten Punkbands.

Ideologisch nicht einzuordnen

Doch wo die Sex Pistols programmatisch anarchistisch und die Clash bekennende Linke waren, waren die Ramones ideologisch nicht einzuordnen: Jeffrey Hyman vulgo Joey Ramone, ebenfalls jüdischer Herkunft, war linksliberal, John Cummings vulgo Johnny Ramone war Republikaner und trat für Ronald Reagan ein. Doch als Joey in Reaktion auf Reagans Besuch des deutschen Soldatenfriedhofs von Bitburg den bösen Song „Bonzo Goes To Bitburg" schrieb, weigerte sich Johnny nicht, dieses Stück zu spielen: Die Band ging vor, so zerstritten die beiden politisch und persönlich waren. Sie akzeptierten sogar, dass Dee Dee Ramone (bürgerlich: Douglas Glen Colvin), Sohn einer Deutschen und eines in Deutschland stationierten US-Soldaten, seine Obsession für den Zweiten Weltkrieg und die NS-Zeit auch in Songs auslebte: „Born To Die In Berlin" hieß einer, „Today Your Love, Tomorrow The World" ein anderer, in Anspielung an ein unseliges HJ-Lied.

Nun, nach Erdélyis Tod, sind alle Originalmitglieder der Ramones tot: Joey ist 2001 an einem Lymphom gestorben, Johnny 2004 an Prostatakrebs, Dee Dee 2002 an Heroin. Damit sind die (1996 offiziell aufgelösten) Ramones, einmal abgesehen von der Jimi Hendrix Experience, die erste wichtige Popband, von der keiner mehr lebt. Und damit ist ein wichtiges und zwiespältiges Kapitel der Popgeschichte zu Ende geschrieben. Doch solange sich junge Menschen in einer Garage oder auf einer Bühne versammeln, um Songs zu spielen, die nur aus drei Akkorden bestehen und nur drei Minuten dauern, wird man an die Ramones denken. Hey-ho, let's go.

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