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The National in Wien: In dunklen Sommernächten

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SWITZERLAND MUSIC(c) APA/EPA/SALVATORE DI NOLFI (SALVATORE DI NOLFI)
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Die US-Band The National wärmte in der Arena unter regenschwangerem freien Himmel zerrissene Herzen.

"There's a science to walking through windows", singt Matt Berninger in "Graceless". Ja, und es gibt eine Wissenschaft der Melancholie. Darin sind sie Doktoren, Professoren gar, Berninger und die beiden Brüderpaare Aaron und Bryce Dessner und Bryan und Scott Devendorf, die gemeinsam The National bilden. Sie haben so viele Winkel der Schwere und Dunkelheit ausgelotet, dass es nur konsequent wirkt, wenn die Zuhörerschaft zum Konzert in der Arena am Dienstagabend zum Groß in Schwarz gewandet erscheint. Die dann doch von einigen prophylaktisch übergeworfenen Regenjacken in ihren bunten Freizeitsport-Farben erwiesen sich nicht nur als optische Aufhellung unnötig, nein, der Regen setzte dann doch nicht ein, auch wenn er wunderbar gepasst hätte.

Farbe gab es ohnehin genug an diesem Abend. Weit mehr als fünfzig Grauschattierungen, in denen sich die 22 dargebotenen Songs der mit zunehmenden Alter der Mitglieder immer erfolgreicheren Band bewegen. Zu hören war vieles aus dem aktuelle Album "Trouble Will Find Me" und dem Vorgänger "High Violet", das der Gruppe zehn Jahre nach ihrer Gründung zum internationalen Durchbruch verhalf.

Hinter der Band erschienen verrinnende Farbkleckse, äthetische Kurzfilme und - das beste Bühnenbild des Abends - ein riesiges Auge, dessen Pupille zum schwarzen alles verschlingenden Loch anwuchs. Ohne das ästhetische Lichtgewitter sah sie seltsam klein aus, trotz der Fast-Fußballmannschaftsstärke von acht Musikern, darunter zwei Bläsern. So rückten die vergangenen Auftritte in den Gürtel-Bars, von der der Frontmann sprach ("Da waren fünf Leute! Ich mitgezählt"), in der vollbesetzten Arena wieder ins Vorstellbare. Clubgigs sagt man heute zu diesen Hundejahren, von denen The National einige hatte.

Längst sind sie größere Bühnen gewöhnt als jene in der Arena, auf der der rastlose Sänger in dunklem Anzug und Brille und Zentrum, hin und her tigerte und sich an seinem Mikro festhielt. Immer wieder ein paar Schritte Richtung Bühnenausgang, als wolle er verschwinden. Die Stimme, die ist überlebensgroß: Ein Bartion, der schwebt und schreit, in Sprechgesang verfällt und sich im Duett mit Support-Act Sharon van Etten vereint. Zum Abschluss gab es "Terrible Love". So kann Liebe sein.

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