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Marteria: "Björk ist einfach die Größte"

Marteria
Marteria(c) Pinie Wang
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Der Rapper Marteria gehört zu den erfolgreichsten Musikern im deutschsprachigen Raum. Im "Presse"-Interview spricht der Ex-Kicker von Hansa Rostock über globale Missstände, Genre-Stempel und Björk.

Nicht nur Sie, auch ihre Kollegen wie Casper, sind derzeit sehr erfolgreich. Ihr aktuelles Album war in Deutschland Platz eins der Charts, in Österreich auf Platz zwei. Würden Sie eine Renaissance des deutschsprachigen Rap konstatieren?

Ich glaube eher nicht. Die geht momentan eher zurück, die Renaissance.

Wie gefällt Ihnen österreichischer Rap? Nazar hat vor Kurzem eine neue Platte veröffentlicht ..

Nazar schätze ich als Künstler und Menschen sehr. Die Österreicher, die heulen ja ein bisschen herum, dass sie in Deutschland mehr Erfolg haben wie in Österreich. Das ist bei Raf oder Chakuza so. Die Erfolge der beiden sprechen für sich. Die sind sehr innovativ. Deswegen bekommen sie in Deutschland auch Respekt. Oder eben auch Nazar. Bei Money Boy ist es was anderes. Das ist aber eine andere Welt. Aber ansonsten haben die österreichischen Rapper in Deutschland schon ein Fundament gelegt.


Sie kollaborieren immer wieder mit Künstlern aus anderen Genres. Ich habe gelesen, dass Sie am liebsten mit Björk einen Song machen würden ...

Das ist mein Traum, tatsächlich. Ob das nun realistisch ist oder nicht. Wahrscheinlich eher nicht. Björk war mich als Musiker eine Inspiration. Neben dem Hiphop-Zeug wie Beastie Boys und Run DMC. Ich finde, dass ihr Song “Human Behaviour” aus dem Jahr 1992, das ist jetzt 22 Jahre her, immer noch besser klingt, als alles andere was heute erscheint. Auch wenn jetzt viele sagen werden, der spinnt doch. Allein von der Klangästhetik her eine so große Musik. Björk hat so viele Musikgenres gemischt. Sie hatte eine solche Independent-Kraft und trotzdem 20 Millionen Platten verkauft. Und dann noch die Gondry-Musikvideos! Sie ist einfach die größte Künstlerin. Björk hat mich am meisten inspiriert, wie man ohne Schranken an Musik rangeht. Also nicht nur Hiphop, diesen ganzen Inzestscheiß. Sondern das man sagt: Okay, wieso soll man nicht fusionieren? Und sich jedes Mal neu erfinden?

Sie haben gerade Schranken angesprochen. Stört es Sie, wenn Sie von Medien unter das sogenannte “Hipster Rap”-Genre subsummiert werden?

Also, mich stört das nicht. Aber wenn ich beispielsweise auf einem Rockfestival spiele, heißt es: Was hat Marteria hier zu suchen? Das gleiche bei Elektronik oder Reggae. Wir können auf einem Rockfestival spielen und die Hütte abreißen. Der Hiphop-Stempel ist egal. Es ist 2014. Es wird echt Zeit, dass man nicht darüber nachdenkt. Das ist zwar ein platter Spruch: Aber es gib einfach geilen Scheiß und nicht geilen Scheiß.

Deswegen bin ich auch stolz auf mein Publikum, weil da auch mal ein Typ im Slayer-Shirt dabei ist. Bei manchen anderen Rappern stehen in den ersten acht Reihen nur zwölfjährige Mädchen. Nicht falsch verstehen: Ich freue mich auch, wenn junge Leute kommen.

Sie beziehen sich in ihren Texten immer wieder auf Ihre Heimatstadt und Ihren Heimatverein Hansa Rostock, bei dem Sie Fußball gespielt haben (Anm.: Marteria stand auch im Kader der deutschen U17-Nationalmannschaft). Würde sich ein Funktionärsjob bei Hansa reizen?

Ja, ist es mein Verein, meine Heimatstadt. Also klar, würde ich gern mal Präsident werden. Zumindest zwei Jahre bis ich abgesägt oder aus der Stadt gejagt werde. Nein, also ernsthaft: Ich mache jetzt Musik und man kann nicht alles machen. Ich habe ja auch meine Fußballerkarriere aufgegeben. Ich bin sehr dankbar, dass ich eine Karriere als Musiker habe. Wenn ich sehr viel Geld hätte, würde ich aber Hansa sehr viel Geld abgeben. Insgesamt bin ich aber nicht der Typ, der sich im Anzug ins Büro setzt.

Wie haben sie die Fußball-WM wahrgenommen, den Titelgewinn Deutschlands und auch skurrile Nebenerscheinungen wie Gaucho Dance?

Den Gaucho Dance, das darf man nicht überbewerten. Aber zur Zeit der WM war ich tatsächlich in Brasilien, auch in den Favelas. Und dann kannst du nicht einfach die Weltmeisterschaft konsumieren wie hier. Du nimmst das anders wahr. Der Sport an sich kann nichts dafür. Das ist ein toller Sport. Aber was die FIFA den Leuten für eine Scheiße erzählt. Der Stadionbau, das ist moderne Sklavenarbeit. Ich habe die Deutschland-Spiele geschaut, aber unemotional.

Wo haben Sie das Finale gesehen? Auch in Brasilien?

Beim Finale war ich wieder in Rostock. Bei einer Großveranstaltung in Deutschland, Schweiz oder Österreich wäre alles okay. Aber nehmen wir das Beispiel der WM in Quatar. Das ist unvorstellbar. Dort sterben Menschen aus Nepal und Bangladesh beim Stadionbau. An diesen Projekten klebt sehr viel Blut. Darüber muss man reden und schreiben.

Das Ausblenden, auch auf den alkoholgetränkten Fanmeilen, haben Deichkind in ihrem Song “Ich habe eine Fahne” auf den Punkt gebracht.

Absolut. Im Ausblenden sind Menschen eben sehr gut.

Geht es in Ihrem Song "Bengalische Tiger" auch um Fußball? Stichwort: Pyrogesetz?

Ja, es ist alles irgendwie drin. In erster Linie geht es um die Riots auf der Welt. Das Problem ist, dass Kids auf die Straße gehen und Autos anzünden, wie zum Beispiel in Frankreich, in den sogenannten Schmelztiegeln. Natürlich nehmen Jugendliche auch den Hass mit zum Fußball. Der Hass entsteht ja nicht, weil sie alle bescheuert sind, sondern weil sie perspektivenlos sind. Man kann sich das angucken und denken, man ist in einer geschützten Welt. Aber das stimmt nicht. Wenn es links und rechts von dir brennt, brennt es irgendwann auch hier.

Können Sie ein konkretes Beispiel geben?

Ich war in diesem Jahr in Gaza und drei Wochen später ist das Ganze dort losgegangen. Da waren Kids, die gestorben sind, die zuvor bei unserem Konzert standen. Und das sind nur drei Flugstunden. Die Welt sollte näher zusammenrücken und endlich Probleme lösen. Wenn Länder sagen, okay wir nehmen jetzt 500 Flüchtlinge auf. Wer entscheidet, dass es 500 sind? So ein Flüchtling ist einfach nur eine Zahl. Das ist ganz furchtbares politisches Denken. Deswegen ist die Zuwanderungspolitik auch scheiße. Da müsste man sich was Neues überlegen, und zwar global.

Auf ihren Social-Media-Seiten kann man beobachten, dass Sie viele exotische Orte bereisen. Welche Destination hat Sie am meisten beeindruckt?

Das allerbeste Land ist tatsächlich Irland, wo ich kürzlich war. Ich war schwer beeindruckt von Mensch und Natur. Ich könnte es mir wirklich vorstellen, dort hinzuziehen.

Zurück zur Musik: Welche Projekte stehen an? Kommt nach dem zweiten Marteria-Album wieder ein Longplayer ihres maskierten Alter Egos Marsimoto?

Höchstwahrscheinlich. Ich finde die Abwechslung gut: Marteria, Marsimoto. Marsimoto, Marteria.

Ihr Auftritt beim diesjährigen Frequency Festival war headlinerwürdig. Vor zwei Jahren konnte Casper ebenso die Massen am Nachmittag mobilisieren. Würde eine gemeinsame Ko-Headliner-Tour nicht Sinn machen?

Es ist ja kein Geheimnis, dass wir Freunde sind. Aber es ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wenn Casper und ich zwölf bis 15 gute Songs schreiben können, werden wir das auf jeden Fall machen.

In ihrem Song “Endboss” wird das Leben als Chronologie von Videospiel-Levels beschrieben. Videospiele, ein weiteres Hobby?

Der große Gamer war ich nie. Früher hatte ich einen Gameboy und spielte lange diese Bundesliga-Manager-Spiele. Gut, zuhause habe jetzt ich eine Konsole stehen, aber lieber gehe ich angeln.

Im November tritt Marteria in Österreich auf: Am 19. November in Innsbruck (Hafen), am 20. November in Linz (Posthof) und am 25. November in Wien (Gasometer).

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