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Popskandal: U2 kann man jetzt entfernen

USA APPLE LAUNCH
USA APPLE LAUNCH(c) APA/EPA/MONICA DAVEY (MONICA DAVEY)
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Nach einer Protestflut hat Apple nun nachgegeben: Man kann das U2-Album, mit dem 500 Millionen unfreiwillig beglückt wurden, mit einem Knopfdruck löschen.

Über 500 Millionen Menschen... das sind eine Milliarde Ohren“, jubelt U2-Sänger Paul Hewson vulgo Bono auf der Homepage der Band: „Das ist so aufregend.“ Und er erklärt: „Ein Teil der DNA dieser Band war immer die Sehnsucht, mit unserer Musik so viele Menschen wie möglich zu erreichen.“

Bei der Verwirklichung dieser Sehnsucht hat Apple nun der Band geholfen: Der Konzern verschenkte am 10.September das U2-Album „Songs of Innocence“, das offiziell erst Mitte Oktober erscheint, an die rund 500Millionen Nutzer seiner Online-Plattform iTunes. Das Geschenk wurde eher plump überreicht: Die User fanden die elf Songs in ihrer persönlichen Playlist, ohne dass man sie gefragt hätte. Da U2 – auch wenn Bono das nicht wahrhaben will – nicht die Lieblingsband aller Menschen ist, hagelte es Proteste gegen diese Zwangsbeglückung mit Speicherbedarf.

Die wenig erfolgreich war. Laut Apple machten in den ersten sechs Tagen 33 Millionen von dem Geschenk Gebrauch, wobei auch jene mitgezählt wurden, die nur kurz in einen Song hineinhörten. Trotzdem erklärte U2-Manager Guy Oseary, „sieben Prozent des Planeten“ würden sich über die „Songs of Innocence“ freuen. Sonst, fügte er gallig hinzu, würde es wohl Jahre dauern, bis die Masse verstanden habe, was U2 mit dieser Aktion bezwecken.

Ein wenig angerührt reagierte auch Bono auf die Kritik. Wer kein Interesse am „neuen Baby“ seiner Band habe, schrieb er, möge es so sehen: „Blut, Schweiß und Tränen irischer Burschen sind jetzt in deinem Junk-Mail-Ordner.“ Denn der Sänger besteht darauf: „Es ist ein sehr, sehr persönliches Album.“

Pilger, die sich dem Punk anbiedern

Das äußert sich z.B. im ersten Song darin, dass Bono mit rührseligem Timbre auf die Anfänge seiner Band zurückblickt: „I was young, not dumb“, singt er, „and we were pilgrims on our way.“ Gewidmet ist das Stück, in dem der laut bekennende Katholik Bono auch die Bedeutung der Religion für ihn erklärt – „So I can love and hate“ –, Joey Ramone, dem Leadsänger der großen US-Punkband Ramones. Auch Joe Strummer von der großen englischen Punkband The Clash ist ein Stück zugeeignet, mit typischen U2-Zeilen wie „Complete surrender, the only weapon we know“. Beide können sich gegen diese Anmaßung nicht mehr wehren: Ramoneist 2001 gestorben, Strummer 2002.

Sonst ist das Album nicht sonderlich aufregend: U2, bei ihren Experimenten mit Selbstironie naturgemäß gescheitert, versuchen wieder einmal, das rotwangige und blauäugige Pfadfinderpathos ihrer ersten Alben auferstehen zu lassen, doch dafür fehlt es den Songs an Feuer. Und wenn Bono in dem (immerhin von Gitarrist The Edge spannend gespielten) Song „Volcano“ kokett „You and I are Rock'n'Roll“ singt, möchte man ihm zurufen: „Lieber nicht mit Ihnen, Herr Hewson!“

Wer seine Computerdiskothek von U2 befreien (und trotz allen Unbehagens iTunes treu bleiben) will, dem bietet die Firma seit Dienstagfrüh eine „SOI“-Removal an, wobei „SOI“ für den Albumtitel steht. Bono jedenfalls will die Zusammenarbeit mit dem Konzern Apple, der U2 laut „New York Times“ 100 Millionen Euro für die Aktion gezahlt haben soll, fortführen und verspricht „some cool stuff“ und „innovations that will transform the way music is listened to and viewed“. Klingt nach Drohung – und passt gut zu den letzten Zeilen des neuen U2-Stücks „The Troubles“: „Somebody stepped inside your soul, little by little they robbed and stole, till someone else was in control.“

Im Frühsommer hat Bono noch dem Konzern Apple vorgeworfen, er sei „wie eine religiöse Sekte“. Solche Missverständnisse dürften ausgeräumt sein. U2 und Apple gehen fortan gemeinsam auf Seelenfang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2014)

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