Pop

Tränenreicher Troubadour

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Leonard Cohen, der kanadische Poet und Singer/Songwriter, wird am Sonntag 80. Gleichzeitig präsentierte er jüngst sein neues, vorzügliches Album »Popular Problems«. Eine Huldigung.

Ob man das Leben lachend oder weinend verbringt, es ist dieselbe Zeitspanne“, heißt es im Zen-Buddhismus. Die dunkle Seite in Leonard Cohen, der seine Kunst immer wieder für Jahre aufgegeben und hinter Klostermauern meditiert hat, hat sich für das Tränenvergießen entschieden. Cohen hat ihr allerdings die allerschönsten Melodien und messerscharfe, existenzielle Sprachbilder abgerungen. Reichlich spät hat er, der sich als junger Mensch als Dichter definiert und es in diesem Metier auch zu einigem Erfolg gebracht hat, den Hafen der Musik angesteuert. Als er 1967 am Höhepunkt der Hippie-Gegenkultur sein düsteres Debütalbum „Songs of Leonard Cohen“ vorlegte, galt er sofort als krasser Außenseiter.

Damals war er bereits 33 Jahre alt, trug Anzüge und kurzes Haar. Seine Lieder versprachen weder Harmonie noch Rebellion. Der Covertext warnte die Blauäugigen sogar vor dem Inhalt von Liedern wie „Suzanne“, „The Stranger Song“ und „Sisters of Mercy“. „Pain, loss, fear, guilt, loneliness are unashamedly admitted“, hieß es da. Seinen Plattenvertrag verdankte er dem brillanten Talentesucher John Hammond, der schon Billie Holiday und Bob Dylan entdeckt und gefördert hatte. Er suchte Cohen in New York auf, lud ihn zu einem nicht zu üppigen Nachtmahl ein und ließ sich dann in dessen Hotelzimmer ein paar Songs vorspielen. Rasch stellt Hammond fest: „He's got a hypnotic effect“. Dazu trugen Cohens abgründige Singstimme und die modalen, zuweilen fast Mystik abstrahlenden Akkordwechsel bei. Noch wichtiger war wohl die poetische Kraft der düsteren Szenerien. „It's four in the morning, the end of December, I'm writing you now just to know if you're better“ – so beginnt „Famous Blue Raincoat“, das vielleicht schönste Lied seines schmalen Schaffens. Das Bittere dieser Dreiecksgeschichte entbehrt nicht völlig der Süße. Am Ende zeigt Cohen sogar Empathie mit dem Nebenbuhler. „And what can I tell you my brother, my killer. What can I possibly say. I guess that I miss you. I guess I forgive you.“


Der ideale Sound für den Selbstmord. Erschienen ist „Famous Blue Raincoat“ 1971 auf „Songs of Love and Hate“, dem wohl traurigsten Album seiner Karriere. „Die Leute sagten, ich würde eine ganze Generation deprimieren“, sagt Cohen in Sylvie Simmons Biografie „I'm Your Man“. Damalige Kritiker meinten gar, man müsste dem Album Rasierklingen beilegen, weil es die Musik sei, bei der man sich idealerweise die Pulsadern aufschneidet. Immerhin gab Cohen damals auch regelmäßig Konzerte in psychiatrischen Kliniken. „Diese Leute sind in der gleichen Landschaft zu Hause, der die Songs entstammen. Ich fühle, dass sie sie verstehen“, sagt er, der Zeit seines Lebens mit Depressionen gerungen hat. Ihnen verdankt sich die Wesentlichkeit seiner Kunst, die verlässlich zwischen den Schrecken und Ekstasen des Lebens balanciert ist. Cohen akzeptierte Fatum und Liebesschmerz, bestand allerdings darauf, alles Erlittene und anderen Angetane zu poetisieren. Gesellschaftliche Außenseiter, etwa Prostituierte, fühlten sich von seinen Liedern besonders angezogen. Ab Ende der Siebzigerjahre und Alben wie „Recent Songs“ und „Various Positions“ hielt die Ironie in Cohens Lyrik Einzug. Mit Liedern wie „Dance Me to the End of Love“ und „Hallelujah“ hatte er Erfolg bei einer neuen Generation.

Dennoch zog er sich Mitte der 1990er-Jahre ins Kloster seines Freundes und Zen-Meisters Joshu Sasaki Roshi zurück. Sein gewählter Name war Jikan (der Stille). Vermutlich wäre seine Karriere leise verklungen, hätte nicht seine Managerin Kelley Lynch sein Vermögen verspekuliert. So sah Cohen sich gezwungen, ab 2008 wieder durch die Konzerthallen zu vazieren. Zunächst gramgebeugt. Aber nach etwa eineinhalb Jahren kam die Freude zurück, und Cohen überraschte als 75-Jähriger mit Konzerten, die über drei Stunden dauerten. 2010 verließ er die Bühne in St. Margarethen erst nach 200Minuten– tänzelnd! 2012 nahm er mit „Old Ideas“ sein erfolgreichstes Album auf.

Rechtzeitig zu seinem 80.Geburtstag überrascht Cohen nun mit „Popular Problems“, dem erst 13.Album in 47Jahren Karriere. Vorgestellt hat er es mit altersentsprechend sardonischem Humor in London. Die neun Songs sind erstaunlich nah am Blues gebaut, teilweise von Gospel- und Countryelementen gespeist. Die erste Single „Almost Like the Blues“ erfreut mit freundlichem Groove, ganz im Widerspruch zum bitteren Text. Zum unheimlichen „Huhu“ der Sängerinnen, brummelt Cohen Schrecklichkeiten aus den Zonen des Kriegs. Den anwesenden Journalisten ist nicht entgangen, dass sich auffallend viele Lieder mit Gewalt befassen. Ob das eine politische Platte sei, wollte einer wissen. Cohen, ungebeugt, aber beängstigend hager, wehrte mit leisem Sarkasmus ab. „All die Jahre habe ich mich an eine politische Position herangetastet, die möglichst von niemandem gedeutet werden kann.“


Komponieren und Geschirr spülen. Als Komponist steht er im Ruf, äußerst bedächtig zu arbeiten. Nun zeigte er sich selbst erstaunt darüber, nach nur zwei Jahren wieder ein Album fertig zu haben. Seine Begründung für die ungewöhnliche Rasanz? Er könne eben neben dem Geschirrspülen nichts anderes. Längst idealisiert er in seinen Songs die Liebe nicht mehr als einzige Seinsquelle. In „Did I Ever Love You“ stellt er sogar alte Leidenschaften infrage. Konstanter als die Liebe ist da schon seine Leidenschaft für das Langsame, die er im Opener „Slow“ ausgiebig zelebriert. Schön geheimnisvoll vibriert da Cohens knarzige Stimme „You want to get there soon, I want to get there last“. Möge er noch lange nicht am Ende seines Regenbogens ankommen.

Steckbrief

1934
Geburt in Westmount (Montreal).

1956
erster Gedichtband „Let Us Compare Mythologies“, erster Roman „Favourite Game“ (1963).

1967
debütiert er live auf dem Newport Folk Festival; erstes Album „Songs of Leonard Cohen“. Weitere Alben: „Songs from a Room“ (1969“), „Songs of Love and Hate“ (1971), „Various Positions“ (1984).„Old Ideas“ (2012) und „Popular Problems“ (2014)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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