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Prince braucht keine Innovation: Party on!

Prince legt zwei neue Alben vor.
Prince legt zwei neue Alben vor.EPA
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Prince kehrt mit zwei neuen Alben zurück in die schützenden Arme eines Major-Labels. Der Altmeister zeigt sich sowohl auf dem Funk-Album „Art Official Age“ wie auf dem Rock-Album „Plectrumelectrum“ in blendender Form.

Zum Auftakt dringt eine Art Euro-Trash-Böllern ans Ohr, das jeder Vorstadtdisco zur Ehre gereichen würde: „Welcome home class, you've come a long way“, so begrüßt der wohl bis zur Vergreisung bubenhafte 56-jährige Prince seine Fans. Es folgt ein Bukett an unidentifizierbaren Geräuschen, eleganten Nile-Rodgers-Gitarrenriffs und dem Oink-Oink von Fußballplatzhupen. Überraschend progressiv klingt dieser Opener namens „Art Official Age“; lässig verbindet er leicht gespritzte Disco-Attitüde mit schwitzigen Rockgitarren, futuristische Geräusche mit sakral anmutenden Chören.

Gesungen hört sich der Titel wie „Artificial Cage“ an – und das ist wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl. Prince hat sich nämlich wieder hineingewagt in den Käfig eines Major-Labels. Dafür gab es gute Gründe. Einerseits steht es an, den Back-Katalog in würdiger Tonqualität neu herauszubringen – das klassische Prince-Album „Purple Rain“ ist genau vor 30 Jahren erschienen –, andererseits hat er es wohl satt, seine barock aufgeplusterten Liedersammlungen nur mehr via Sonntagszeitung oder Internet zu veröffentlichen.

Küsse gegen den hektischen Zeitgeist

Also hat sich der Exzentriker aus Minneapolis zusammengerissen und sich mit seinen alten Intimfeinden von Warner Music verständigt. Der neue Chef, Cameron Strang, überließ Prince die Rechte an den Masterbändern seiner epochalen Achtzigerjahre-Alben, darunter „Purple Rain“ und „Sign O' The Times“. Mit dieser großzügigen Geste war Prince wieder eingemeindet. Standesgemäß mussten es dann schon zwei Alben sein, mit denen er seine Rückkehr ins herkömmliche Musikgeschäft feiert. Das eine heißt „Art Official Age“: ein klassisch monomanisches Soul-Funk-Album. Das andere zeigt den leptosomen Helden im Schutz von 3rd Eye Girl, der Jungmädchen-Rockband, mit der er heuer sehr frisch klingende Konzerte gegeben hat.

„In this brand new age we do everything quick, fast, in a hurry“, singt Prince mit schnuckeligem Falsett in „Clouds“. Wie unterläuft er den hektischen Zeitgeist? Seine Empfehlung ist eine feuchte: „You should never underestimate the power of a kiss on the neck.“ Und weil er so altmodisch ist und unbelehrbar an Liebe und Liebkosung denkt, erwachen in den Damen seines Hofstaats mütterliche Instinkte. Mit gebotenem Respekt piepsen sie: „Mr.Nelson, Mr.Nelson, can you hear my voice? Sir, we know you're a little bit groggy. But don't try to talk or process too much, now. You are completely safe and we are here to help you.“

Damen haben dem nur 1,58 Meter kleinen Prince immer schon stark geholfen: Perkussionistin Sheila E., Bassistin Rhonda Smith und Saxofonistin Candy Dulfer spielten jahrelang mit ihm. Nun hat er sich das Funk-Rock-Trio 3rd Eye Girl angelacht, um mit ihnen das Erbe von Sly Stone und Jimi Hendrix sinnenfroh zu variieren. Zur Hybris jener, die es an die Spitze geschafft haben, zählt die Idee, Lebensberater für weniger Glückliche sein zu können. „You always get the dream that you deserve from what you value the most“, singt Prince in „Fixurlifeup“. Er tut dies mit charmanter Stimme. Die Message ist aber böse, will sie uns doch aus den letzten verbliebenen Paradiesen und Illusionen jagen. Die ätzenden Sounds dazu werden von brausenden Gitarren und harsch knüppelnden Drumsticks gestellt.

Das Stück klingt seltsam zeitlos, wie eigentlich das ganze Album. Das rührt daher, dass Prince, abgesehen von einer relativ kurzen Phase in den lustorientierten Achtzigerjahren, als seine sinnliche Musik total im Zeitgeist war, permanent in Selbstrevision war. Kein anderer kann als Gitarrist und Komponist von sich behaupten, alle Formensprachen des R&B, Funk und Rock'n'Roll von den Fünfziger- bis zu den Neunzigerjahren traumwandlerisch zu beherrschen.

Chefkurator im Black-Music-Museum

Dass er sich immer an diesem Gerüst orientiert, garantiert die Zeitlosigkeit seiner Kunst. Er braucht keine Innovation. Aktuelle Strömungen waren bei ihm stets nur Ornament. Unter der lackierten Oberfläche setzt er auch mit 3rd Eye Girl hektisch Puzzles aus Versatzstücken seines inwendigen Black-Music-Museums zusammen. Prince geriert sich als eine Art musizierender Kurator, der aus vitalen Äußerungen der Vergangenheit neue Kunstwerke baut. Behindert wird er dabei meist von professoralem Zuviel an Wissen. Kurzfristige Erlösung bietet da einzig der Partygedanke, wie er in „Funknroll“ ausgebreitet wird.

Der Song findet sich auf beiden Alben: einmal in verspieltem Techno-Hippie-Arrangement, einmal in wüstem Rock-Outfit. Die Message lautet: Lebe den Augenblick möglichst intensiv. „Never mind the past, only way to get to where you never been is to party like you ain't gonna party again.“ Shuffle-Beat, Fräuleinquietschen, Boogie-Gitarren und Funkbass locken in eine anakreontische Kunstlandschaft unter der Discokugel. Die Selbsttäuschung fällt leicht in einer Atmosphäre, in der Räucherstäbchen und Trockennebel regieren, in die der scharfe Wind der Realität nicht und nicht wehen kann. Das ist der Eskapismus, für den man Prince lieben oder auch hassen kann. Egal: Party on!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2014)

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