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Blues gegen die Erbsünde: Hozier, ein irischer Rebell

 Andrew Hozier-Byrne
Andrew Hozier-Byrne(c) Universal
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In einer Tradition des Aufbegehrens: Mit hohen Tönen heult der 24-jährige Sänger Andrew Hozier-Byrne gegen Dogmen von Katholizismus und Kapitalismus an – und pflegt seinen Liebeskummer.

Manchmal scheint es, dass es nur zwei Sorten irischer Musiker gibt: die Songcontest-Teilnehmer und die Rebellen. Der 24-jährige Andrew Hozier-Byrne, der sich schlicht Hozier nennt, zählt eindeutig zur zweiten Spezies. „Take Me To Church“, sein erster Hit, ist beinah überladen mit Aufbegehren: Da wird bei Begräbnissen gelacht und kühn der „deathless death“, also die Auferstehung, für jedermann gefordert. Mit gospeligem Groove geht Hozier vor allem gegen ein Dogma der katholischen Kirche an, die Erbsünde. „We were born sick, you heard them say it“, klagt er mit schneidender Stimme und versucht die eingepflanzten Schuldgefühle umzudeuten: „I was born sick, but I love it, command me to be well“, fordert er.

Ähnliches hat schon Sinead O'Connor gesungen, jene irische Popsängerin, die seit Mitte der Achtzigerjahre zwischen Sünde und Läuterung schwankt. Das Aufbegehren gegen die Kirche hat freilich viel längere Tradition im katholischen Irland. Schon Sir Fulke Greville, der 1628 verstorbene elisabethanische Poet und Staatsmann, geißelte die Bigotterie. Statt auf das zu hören, was von den Kanzeln gepredigt wird, empfahl er die Innenschau: „Yet when each of us in his own heart looks, he finds the God there, far unlike his books.“ Hozier hat Sir Fulke Greville gelesen und verinnerlicht. Auf seinem Debütalbum bemüht er sich redlich um die verdammten Seelen, die eigene Wege beschreiten. In „Angel Of Small Death & The Codeine Scene“ geht es auf Exkursion in die Drogenszene Dublins, in „Work Song“ in die Hölle der Erwerbsarmut, aus der nur zwei Wege zu führen scheinen: Alkoholismus und früher Tod.

Er taumelt wie Stephen Dedalus

In seiner dramatischen, manchmal pathetischen Liedersammlung taumelt Hozier ähnlich wie Stephen Dedalus, der Held von James Joyces „Ein Porträt des Künstlers als junger Mann“, im Rahmen einer Selbstfindung durch allerlei Schreckensszenarien. Glücklicherweise wird das inhaltliche Pathos von einem angenehm kargen musikalischen Konzept kontrastiert: archaischer Blues und Gospel, dazu ein wenig Popzuckrigkeit à la Antony Hegarty und Elton John. Mit Erfolg. „Take Me To Church“ kam in Irland und sensationellerweise in den USA auf Platz zwei, in Belgien sogar an die Spitze. Das dazugehörige Video, das sich gegen Intoleranz gegenüber schwuler Liebe wendet, wurde, wie es heutzutage heißt, „viral“: fast 14 Millionen Klicks auf der Internetplattform YouTube.

Im echten Leben wurde der Singer-Songwriter jüngst von seiner Freundin verlassen, er tröstet sich mit vagen Sehnsüchten. „Cause God knows I fall in love just a little bit everyday with someone new. With every stranger, the stranger the better.“ Die sängerische Annäherung an diese Phantome seines Begehrens tönt geradezu verzückt. In seinem Liebeskummer zitiert er den Bluesheiligen Son House: „The only blues is between man and woman.“ Seine gerne ins Falsett kippende Stimme hilft ihm bei diesem Blues.

Dabei probierte er es zunächst am anderen Ende der Skala: Als Sänger einer Pubband röchelte er John Lee Hooker und Tom Waits. Erst eine Mitgliedschaft im auf Barockmusik und irischen Folk spezialisierten Chor Anúna machte ihm die hohen Töne schmackhaft. Als Hörer schätzte er allerdings schon in seiner Kindheit Sängerinnen wie Nina Simone und Billie Holiday. Kein Wunder, dass die bittersüße Einsamkeit, die er in „To Be Alone“ besingt, eigentlich eine Zweisamkeit ist: „All I ever done is hide from our times when you're near me.“ Steht zu hoffen, dass diese Idee von der Liebe als rettende Kapsel vor den Zumutungen der Realität nur eine Laune ist und Hozier in Zukunft seine aufregende Stimme nicht in biedermeierliche Dienste stellt. Die Rolle des Rebellen steht ihm einfach zu gut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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