Pop

Österreichischer Pop zwischen Agonie und Größenwahn

KONZERT: SOAP & SKIN
KONZERT: SOAP & SKINAPA/HERBERT P. OCZERET
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Von hausgemachter Herumsandelei und Pop als Nischenprodukt: Gedankensplitter zum Status quo heimischer Musikproduktion.

Einmal jährlich findet sie statt, die Schubumkehr aller Rotstift-Strategien. Dann protzt die malade heimische Popbranche, schwankt in der Glückseligkeit eines Selbstbespiegelungsrituals, das da Amadeus heißt. Ein Preis, der meist jenen verliehen wird, die ohnehin schon gut verkaufen. Und zudem eine Auszeichnung, bei der nicht mit Geldscheinen gewachelt wird.

„Wenn man talentiert ist und eine gute Seele hat, wird man Menschen anziehen, die gut arbeiten und nicht verdorben sind“, sagt Marco, Sänger der Newcomerband Wanda. Ja, so naiv kann man ihn angehen, den Einstieg ins Popgeschäft, der verlässlich die ersten Jahre kaum etwas Nennenswertes abwirft. Aber was ist schon Geld? „Es geht um die Ehre. Als Musiker in meiner Lage spielt man grundsätzlich nur für die Miete. Auch Mozart hat wenig von seinen Bemühungen gehabt.“

Das Fundament der materiellen Herumsandelei ist hausgemacht. Zu viele heimische Popkünstler gehen davon aus, dass sie von Grooves und Beats ohnehin nicht leben können. Das hat auch gute Seiten. Gerade weil er das annimmt, pfeift sich der österreichische Popmusiker viel weniger als der Kollege in Deutschland. Diese „Is-eh-schon-wurscht“-Haltung gebiert Musik, die ohne innere Zensur auskommt. Kaum eine Band orientiert sich am Markt, die Damen und Herren aus der Popzunft wollen originell sein und sind es auch. Das merken mittlerweile auch die Nachbarn. So lobte das Magazin „Spex“ in seiner letzten „Der-Nino-aus-Wien“-Kritik die weiche Wiener Sprache. Sie sei das ideale Idiom für deutschsprachigen Pop. Was hätte der Rezensent erst geschrieben, wenn er die sprachlichen Finessen der Strottern oder des Kollegium Kalksburg kennen würde?

Analysiert man die Situation in Europas erfolgreichsten Popnationen, dann stößt man auf Erstaunliches. In Großbritannien, mit seinem schier unerschöpflichen Reservoir an Popstars aus der Working Class, herrscht brutalster Verdrängungswettbewerb. Das Ergebnis: Trotz reichlich Retortenpfuscherei bringen die Briten die interessantesten musikalischen Charaktere hervor. In Schweden wird nach dem Gießkannenprinzip gefördert. Jeder, und wohnt er auch im entlegensten Dorf, hat Zugang zu gratis Musikinstrumenten und anderer üppiger Unterstützung. Seit dem Verschwinden von ABBA haben die Skandinavier eine Vielzahl an großartigen Bands hervorgebracht. Schwedische Produzenten wie Max Martin basteln einen US-Nummer-eins-Hit nach dem anderen.


Genies im Elfenbeinturm. An so viel Professionalität wollte man hierzulande lang nicht denken. Lieber suhlten sich die erfolgreichen Protagonisten im Geniewahn. Falco, Kurt Hauenstein oder Peter Wolf verschanzten sich in ihrem Elfenbeinturm statt Austausch mit anderen zu suchen. Die heutige Generation agiert da anders. Großartige neue Bands wie Bilderbuch schauen sich schon mal von anderen Künstlern ab, was ihnen gefällt. Dazu muss man beherzigen, was Lukas Lauermann als wichtigste Eigenschaft eines jungen Musikers definiert: „Man muss sehr gut wissen, wer man ist.“ Ahnen sollte man auch, dass Popmusik außerhalb der großen Städte in Österreich immer noch Nische ist. Ein Armutsgelübde muss man deshalb nicht ablegen.

Schließlich kann man auch den europäischen, sogar transatlantischen Markt bearbeiten. Parov Stelar und Klangkarussell haben gezeigt, wie es gehen kann. Soap&Skin füllt locker die ehrwürdige Royal Festival Hall in London. Ja, Panik sind Weltstars in Berlin, auch Dorian Concept ist eher im Ausland als im Inland bekannt. Wie Mimu Merz, Ritornell und Clara Moto, die sich ihre klingenden Namen fern der Heimat gemacht haben. Es ist also nicht existenziell notwendig, dass ein österreichischer Künstler von der hiesigen breiten Masse geherzt wird.

Schwierig haben es nur ältere Undergroundmusiker wie der wüste Blueser Alex Miksch. Für ihn sind Selbstvermarktungstools wie Facebook und YouTube schlicht Teufelswerk. Letzteres wird als Plattform neuerdings infrage gestellt: Wenn man ständig alles haben kann, will man gar nichts mehr. Das gilt es letztlich zu verhüten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2014)

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