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Guns n' Roses: Rock wie unter Bush senior

(c) Reuters (Karoly Arvai)
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Die erfolgreichste Hardrock-Band der späten Achtziger und frühen Neunziger veröffentlichte ein neues Album: „Chinese Democracy“, ein Anachronismus.

Es ist, als ob George H.W.Bush noch regierte. Als ob Beavis und Butthead noch amtierten. Als ob Arnold Schwarzenegger noch Terminator wäre. Die kalifornische Band Guns N' Roses – von deren Originalbesetzung nur mehr Sänger Axl Rose dabei ist – hat das Album veröffentlicht, auf das angeblich ein Teil der Weltbevölkerung seit über einem Jahrzehnt wartet: Es heißt „Chinese Democracy“, es ist ein Anachronismus, und das spricht für den Fortschritt der Welt im Allgemeinen und des Rock'n'Roll im Speziellen.

Damals, um 1990, waren Guns N' Roses die berühmteste Band ihres Genres, sie hatten Hits mit Harte-Männer-Rührstücken wie „November Rain“ und sogar mit indiskutablen Versionen von „Knockin' On Heaven's Door“ und „Live And Let Die“; Axl Rose, Athlet des lebenslänglichen hysterischen Stimmbruchs, war der führende Method Actor im Rollenfach „bekennende amerikanische Dumpfbacke“. Mit Drogenproblemen, ja, natürlich, aber bodenständig.

„Endlose Monotonie“

Er hat zwar die Frisur gewechselt (Rastazöpfchen statt Matte), aber nicht das Rollenfach, das demonstriert das neue Album. 13 Millionen Dollar hat er sich die Aufnahmen für die 14 Songs kosten lassen, heißt es, 14 Studios haben ihn dabei beherbergt, die Musikerlisten sind von epischer Länge, doch das Ergebnis beschreiben seine eigenen Zeilen (aus dem beinahe rührenden Stück „Scraped“) am besten: „Sometimes I feel like the world is on top of me / breakin' me down with an endless monotony.“

Endlose Monotonie – und dabei hat sich Rose angestrengt, möglichst viele Spielarten des Hardrock vorzuführen – vom Gitarren-Gewitter in „Shackler's Revenge“ über den nach Akklamation per Feuerzeug flehenden Melodic Rock in „Catcher In The Rye“ (Achtung, Leseliste!) und das Balladen-Inferno in „Prostitute“ bis zum orchestralen Bombast in „Madagaskar“, das sich sehr bemüht, an „Kashmir“ von den großen Vorbildern Led Zeppelin zu erinnern, aber kläglich scheitert. Das eingestreute Martin-Luther-King-Sample ist völlig deplaziert: Wenn ein Axl Rose einen Traum hat, dann spielt er allein die Hauptrolle: der einsame Kokain-Cowboy, unverstanden von Weib und Welt, aber den Finger immer am Abzug. Schnäuz.

Einst, um 1990, standen Guns N' Roses noch im Ruf, wenigstens eine gewisse Schärfe des Klanges – wenn auch nicht des Bewusstseins – von Punk gelernt zu haben. (Wie dumpf ihr Punk-Verständnis wirklich war, zeigte 1993 das Album „The Spaghetti Incident?“.) Heute hört man auch davon fast nichts mehr. Das zumindest gut inszenierte Riff im Song „Chinese Democracy“ ertrinkt schnell im Sound-Sumpf, aus dem dann und wann ein Gitarrist klettert, um zu zeigen, wie schnell er seine Finger bewegen kann. Die Dichte an sinnlosen Angeber-Solos auf diesem Album ist rekordverdächtig.

Am ehesten nach authentischer Empörung klingt „Riad N' The Bedouins“: Hier hören wir einen Amerikaner, dem so gar nicht wohl ist beim Gedanken an „nomads and barbarians“: Die hatten einen Plan und glaubten, sie könnten gewinnen, singt Axl Rose, aber er habe genug von ihnen: „I don't give a fuck 'bout them.“ Dann gellt er in den höchsten Registern über „my salvation“ und „all my frustration“. Ein patriotischer Song sozusagen, der im Irakkrieg gewiss geholfen hätte, die Rekruten aufzumuntern...

Ja, da kreischt er nach Rosen, unser letzter Rebell im Namen des Gesetzes (= des Gewehrs im eigenen Kasten). Wie gesagt, ein Anachronismus. Hoffentlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2008)

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