Pop

Pop als Weben von Wahrheiten

Österreichs Popentdeckung des Jahres: Schmieds Puls, das musikalische Vehikel der liebreizenden Mira Lu Kovacs.

Ihre Gitarre positioniert Mira Lu Kovacs in ähnlich steilem Winkel wie Spaniens Flamencovirtuosen. Bevor sie die Saiten attackiert, hält sie lauernd inne, betrachtet diese wie eine jagende Katze ihre Opfer. Noch mehr als ihre blutenden Gitarrenakkorde fasziniert ihre wendige Stimme, die Silben, wenn es für den Groove nötig ist, an den ungewöhnlichsten Stellen bindet. Zum letzten Mal in diesem für sie so erfolgreichen Jahr entriegelte sie ihr glockenhelles Organ in einer intimen Soirée im herrlich patinierten Theater Nestroyhof, im Rahmen der Reihe Sam's Bar.

Das weihnachtliche Glitzerjäckchen stand dabei in derbem Kontrast zu den ungeputzten Halbschuhen. Ähnlich schlägt die Musik von Schmieds Puls Funken zwischen antagonistischen Ästhetiken. Das Ätherische des Folk verbindet sich in den vertrackten, aber meist doch überraschend melodiösen Songs mit lockerer Independent-Pop-Attitüde. Bereits die erste Nummer „How Come“ weckte Assoziationen mit Joni Mitchell, Joanna Newsom und Kovacs' erklärter Heldin Ani DiFranco. Ein „Spinnennetz der Wahrheiten“ webe sie, sang sie in „Spider“. Die Betonung liegt auf der Mehrzahl, wandeln doch ihre Lieder praktisch allabendlich die Bedeutung für ihre Urheberin. Die Kunst von Schmieds Puls ist auf attraktive Art unabgeschlossen, die Songs sind eher Kraftfelder um momentane Stimmungen als musikalisierte Thesenpapiere heutiger Jugend.

Lob fürs einvernehmliche Schweigen

Sehr eindringlich war das stille „Silently Agree“, in dem Kovacs das einvernehmliche Schweigen zwischen Menschen lobte. Mit „Bones“ gab sie einen anheimelnden Vorgriff aufs zweite Album, das sie im März aufnehmen wird. Nicht auf CD gibt es ihre Vertonung des Charles-Bukowski-Gedichts „The Laughing Heart“. Das früher auch gern von Tom Waits live rezitierte Poem heißt in Kovacs' mit herber Melodie ausgestatteten Fassung „You Are Marvelous“. „You can't beat death, but you can beat death in life, sometimes“, hieß es da so trefflich. Am Ende standen „Play Dead“ und „Prague“, die beiden stärksten Songs von Schmieds Puls. „No sound can sing my grief“, hieß es da. Wuchernde Melancholie mit einer guten Portion Schalk zu würzen, das versteht sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2014)

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