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Mark Ronson: Ein Hipster macht Musik, die seine Mutter mag

Mark Ronson
Mark Ronson(c) APA/EPA/HANNAH MCKAY (HANNAH MCKAY)
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Ja, Mark Ronson, mit „Uptown Special“ auf Nummer eins, ist retro. Aber es ist ihm egal: Sein Pop-Verständnis ist prinzipiell historisch. Mit der „Presse“ sprach er über Samples, Mikrofone und Kindheitserinnerungen an David Bowie.

Eine Sekunde lang freut man sich, dann geht man wieder an die Arbeit. Ich bin nicht der Typ, der sich nach so etwas für drei Monate in die Karibik absetzt.“ Mark Ronson stapelt im Gespräch mit der „Presse“ tief. Dass sein Album „Uptown Special“ auf beiden Seiten des großen Teichs auf Platz eins der Charts kam, nimmt er mit jener Gelassenheit, die einem Uptown-Kid ansteht.

Seine materiell gut ausgepolsterte Herkunft prädestinierte den jugendlich aussehenden 39-Jährigen nicht gerade zum Popstar. Viel lieber hört man ja Storys von Ghettokids, die unerhörte Sounds produzieren. Innovation komme stets von den Rändern der Gesellschaft, glauben viele.

Lange Zeit stand Ronson auch lieber im Hintergrund. Der gebürtige Londoner, der mit acht Jahren nach New York zog, weil sich seine Mutter in den Foreigner-Gitarristen Mick Jones verliebte, war als Produzent für zahlreiche Welterfolge verantwortlich. So betreute er das Bestselleralbum „Back To Black“ von Amy Winehouse, produzierte Adele, Lily Allen und Robbie Williams. Unter eigenem Namen debütierte er 2003 mit „Here Comes The Fuzz“, einem faszinierenden Hybrid aus harschen Hip-Hop-Beats und köstlicher Popmelodik. Schon damals war sein Zugang zur Musik historisierend: Er zitierte Samples, aber auch typische Sounds lebender Musiker. Die romantische Idee, dass Kreativität allein aus einem selbst kommt, ist ihm fremd.

Mit dabei: Stevie Wonder, Bruno Mars

Penibel und konzeptuell wie ein Ausstellungskurator stellte er die Besetzung seiner Alben zusammen. Das aktuelle Line-up schlägt alles, was Ronson bislang so ins Studio zu locken vermochte. „Als ich am Klavier tüftelte und erste Melodien entstanden, wusste ich, dass ich diesmal ganz besondere Texte brauchte. Mir war nach lebendigen Charakteren.“ Also fragte er kurzerhand bei Pulitzer-Preisträger Michael Chabon an, dem Autor von Bestsellern wie „Wonder Boys“. Er sagte rasch zu. Genauso wie Soullegende Stevie Wonder, R&B-Shootingstar Bruno Mars und Kanye-West-Produzent Jeff Bhasker. Die Gitarrenvakanzen waren auch rasch belegt: Neben Teenie Hodges aus der Al-Green-Band der Siebzigerjahre fand sich Carlos Alomar, der legendäre Mitstreiter David Bowies, ein. „Egoprobleme darfst du bei diesen Meistern keine haben“, weiß Ronson, „denn egal, was du dir ausdenkst, diese Burschen toppen es aus der Hüfte heraus.“

Mit dem Popadel verkehrte Ronson schon von Kindesbeinen an. Zu seinen Spielkameraden im Central Park zählte Sean Lennon. Bruce Springsteen und den leicht illuminierten David Bowie lernte er als Schüler am Frühstückstisch kennen, wo alle landeten, die mit seinem Stiefvater gezecht hatten.

Doch Ronson zeigt auch Ehrgeiz bei der Suche nach jungem Talent. Auf der Suche nach einer frischen Stimme für die sexy schlurfende Soul-Disco-Nummer „I Can't Lose“ fand er die famose Keyone Starr, eine halbprofessionelle Gospelsängerin aus der tiefsten Provinz Mississippis. Sie hat genau die ursprüngliche Authentizität, die einem postmodernen Hipster wie Ronson naturgemäß fehlt, die er aber für die Konstruktion seines Retro-Chic dringend braucht.

Das Spektrum von „Uptown Special“ reicht von poliertem Pop à la Steely Dan bis zu funky Disco, wie ihn einst Zapp und Earth, Wind & Fire fertigten. „Soul und Disco habe ich im Grunde über die Samples im Hip-Hop kennengelernt. Seit damals bin ich ein Nerd, was Musikgeschichte anlangt“, sagt Ronson. Das hört man. Natürlich kann man „Uptown Special“ ohne Vorwissen hören und ins Herz schließen. Aber es macht auch viel Spaß, die Zitate zu identifizieren und sich an Ronsons Pasticcios zu erfreuen. Wenn man ihm vorwirft, „retro“ zu sein, perlt das an ihm ab. „Von Popmusik sollte nicht zu viel Innovation verlangt werden. Spaß muss sie machen. Was die Leute am neuen Album vielleicht wundert, ist, dass darauf Tanzmusik mit richtigen Instrumenten gespielt wird. Das ist man nicht mehr gewohnt.“

Schon der Ort, an dem dieses Juwel des Patchwork-Pop aufgenommen wurde, hat eine magische Aura: die legendären Royal Studios in Memphis, in denen all die großen Soulsänger von Ann Peebles bis Al Green sangen. Ronson schwärmt: „Dort steht noch das Schlagzeug, mit dem Al Green „Love And Happiness“ aufgenommen hat. Oder die Electronik Bongo Machine, die man am Beginn des Soulklassikers ,I Can't Stand The Rain‘ hören kann.“

Hat er auch das berühmte Microphone Number9, das einst Al Green benutzte, verwendet? Was für eine leichtsinnige Frage! Auf sie hinauf sprudelten aus Ronsons Mund technische Spezifikationen und Eigenschaften sämtlicher historischer RCA-Mikrofone. Der Mitteilungsdrang dieses Nerds war nur mit einer archaischen Frage zu unterbrechen: Ist eigentlich Ihre Mutter stolz auf Sie? „Schon. Sie mag die Musik. Aber noch besser gefällt ihr, dass ich hart arbeite.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2015)

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