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Debatte: Zwei küssende Männer verstören Hip-Hop-Fans

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Der Berliner Rapper Bass Sultan Hengzt zeigt in einer Version seines neuen Albumcovers zwei sich küssende Männer. Fans reagieren darauf mit homophoben Sprüchen. Rap-Kollegen verteidigen ihn und stellen das Cover nach. Andere argwöhnen, es handle sich um einen PR-Gag.

Der deutsche Hip-Hop befindet sich mitten in einer Homophobiedebatte. Ausgelöst hat sie der Berliner Rapper Bass Sultan Hengzt (BSH) mit dem Coverbild seines neuen Albums „Musik wegen Weibaz“. Darauf sind zwei gut aussehende Männer in einer innigen Umarmung zu sehen, deren Lippen sich annähern und auf einen Kuss zusteuern.

Für überraschend viele Fans von BSH, der mit bürgerlichem Namen Fabian Cataldi heißt und italienisch-türkische Wurzeln hat, ist das Bild eine Provokation.
Hunderte beschwerten sich auf Facebook und Twitter bei ihrem Idol mit Sätzen wie „Alter, wie kannst du nur?“ oder Beschimpfungen wie „schwule Ratte“. BSH reagierte auf den Shitstorm mit Zeilen wie „Jetzt erst recht!“ und gibt Berliner Stadtradios und Zeitungen reihenweise Interviews. Von manchen Fans wird er nun gehasst, plötzliche Lorbeeren bekommt er dafür von jenen, die ihn bisher nicht mochten. BSH hat sich im vergangenen Jahrzehnt einem radikalen Sinneswandel unterzogen – und das, obwohl er noch 2003 auf seinem ersten Album reimte „Ich änder' mich niemals“. In früheren Liedern, in denen er sich noch als „Battle Rapper“ sah, ließ er auch schwulenfeindliche Töne anklingen. Auf seinem zweiten Album, das er 2004 bei dem ebenfalls explizit homophoben Rapper Bushido herausgab, rappte er im Lied „Halt die Fresse“: „Es gibt 'nen Schwulen namens Samy Deluxe, und die schwulen Headliner, die uns f***** wollen, doch dann kommt keiner.“ Mit solchen Texten sei schon lang Schluss, erklärt BHS immer wieder in Interviews.

Dass das Albumfoto mit den küssenden Männern nicht das echte Cover, sondern (zunächst) ein Scherz eines Freundes des Rappers war, geht in der Diskussion gerade etwas unter. BHS gefiel das Cover so gut, dass er es verbreitete, dann folgte der Shitstorm. Unterstützung erhielt er hier von Rap-Kollegen wie der klug reimenden Antilopen-Gang, die das Cover nachstellte und postete: „Knutschende Männer eignen sich im Rap-Game wunderbar, um die Hinterwäldler unter den eigenen Fans zu vergraulen.“
Trotzdem werden auch kritische Stimmen laut, die BHS vorwerfen, er würde den Shitstorm bloß nutzen, um die Verkaufszahlen seines Albums anzukurbeln.

Ganz nebenbei hat er aber vor allem eine Debatte über die Frage ausgelöst, wie schwulenfeindlich Hip-Hop auch angesichts bekennender homosexueller Rapper wie Frank Ocean noch ist oder je war. Selbst der US-Rap-Star Eminem dürfte seine Haltung überdacht haben: Mit schwulenfeindlichen Zeilen machte er einst auf sich aufmerksam, in der US-Satire „The Interview“ outete er sich in einer Talkshowszene zu Beginn als schwul. Auch wenn das nicht der Wahrheit entsprechen dürfte, zeigt allein seine Bereitschaft, bei einem solchen Sketch mitzuspielen, dass er sich weiterentwickelt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2015)

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