Pop

Katy Perry: Pop, pfuiteufelig und possierlich

(c) APA/EPA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
  • Drucken

Katy Perry lullte ein, Charli XCX wiegelte auf – zwei höchst unterschiedliche Popköniginnen buhlten in der Wiener Stadthalle um Sympathie.

Um die Herzen junger Menschen zu gewinnen, bedarf es kluger Strategien. Die Reizüberflutung beginnt heutzutage schließlich schon im Kinderzimmer, und nicht erst in der Schule. Angesichts dieser Herausforderung setzte die 22-jährige Britin Charli XCX in Wien ganz auf die Magie der Gegensätze. Ihr Mädchentrio leuchtete zunächst in prachtvoller Unschuld: silber glänzende Kleidchen, am Rücken niedlich wackelnde Engelsflügel.

Doch dann zerstörten binnen Sekundenbruchteilen beißende Basslines, eine brüllende E-Gitarre und wüst rumpelnde Trommeln jegliche Sehnsucht nach Idylle. In ihrer Konsequenz erinnerte diese Musik stark an die Ramones von 1978, als „Suzy Is A Headbanger“ deren großer Hit war.

Die Disco gegen das Apollinische

Im Herzen eines solchen Krawalls fühlte sich Charli XCX sichtlich wohl. Ihre Art von Lärm geht allerdings stets mit fast provozierend naiven Melodien einher. „I don't wanna go to school, I just wanna break the rules“, verkündete die Sängerin mit aufreizenden Beckenbewegungen und schwankendem Plateauschuh-Schritt. Ohrenbetäubendes Gellen zeigte: Eine Mehrheit wollte ihr folgen.

Der Traum vom ungebundenen Leben führt in „Break The Rules“ gar nicht so überraschend in neonlichtgeflutete Keller. Die Disco ist ja längst ein traditioneller Gegenentwurf zur apollinischen Tagwelt. Das Tempo macht den Rhythmus. „And never stop, it's how we ride“, spuckte Charli XCX einen ihrer raffiniert simplen Slogans aus.

Ein weiteres Beispiel für pointierte Atemlosigkeit war der Refrain von „I Love It“, jenem brüllenden Teeniehit von Icona Pop, der aus der Feder von Charli XCX stammt. Er lautet schlicht „I don't care, I love it!“ In einer immer penibler geregelten Welt auf das überbordende Gefühl zu setzen, ist halt reichlich subversiv. Einmal in Schwung geraten, ging das Pöbeln munter weiter. „You're from the Seventies, but I'm a Nineties bitch“, quietschte XCX lustvoll einen Konflikt herbei. Wenn sie „bitch“ sang, dann meinte sie das garstige Wort in all seinen bösen Schattierungen.

Garstig versus zuckerlfarben

Anders als Pastorentochter Katy Perry, die es später auch einsetzte, aber behauptete, es sei ein Synonym für „Freunde“. Wo eine Charli XCX ungeniert mit dem Pfuiteufeligen kokettiert, färbte die 30-jährige Katy Perry die Welt zuckerlfarben ein.

Doch auch sie dürstet es neuerdings nach Aufstand. Perry träumt von einer Rebellion gegen ihr Sauberfrauen-Image. Das ist nicht leicht. Entblößt sie ein Bein, dann denkt man eher an Turnstunde als an sündiges Treiben. Seit Doris Day gab es im amerikanischen Pop niemanden mehr, der Sterilität authentischer verkörperte. Da mochten noch so viele Irokesenmänner mit leuchtenden Lanzen um sie herumwackeln: Perry bleibt Miss Blümchensex.

„Emanzipation“, die niemand glaubt

Da half auch das martialische Dröhnen nicht, mit dem ihr Auftritt anhob. In artigem Duktus breitete die Sängerin in „Roar“ ihre neuen Sehnsüchte aus. Dabei kippte ihre Stimme immer wieder dramatisch. Mit den Schmetterlingen wolle sie fliegen, hieß es, aber dennoch wie eine Biene stechen. Doch diese „Emanzipation“ fußt auf schlichter Behauptung: „Cause I am a champion and you're gonna hear me roar.“

Da mochten die technoiden Beats noch so klappern, irgendwie versank Perrys Anliegen doch sanft im Sumpf der Halbwichtigkeiten. Aufsässigkeit nimmt man ihr einfach nicht ab. Katy Perry ist kein Biest aus dem Boudoir, keine Femme fatale mit verschleiertem Blick; in derlei Posen wirkt sie wie ein an Land geworfener Fisch. Ihr gemäßer sind Szenarien, wo sie an der Hand geführt wird. Etwa im locker groovenden „Walking In Air“, wo sie sich ideal nur in der Widerspiegelung ihres Liebhabers erkennt. „Yeah, you take me to utopia, you read me like erotica, Boy, you make me feel exotic.“

Das Bühnenbild war da längst auf Altägypten umgestellt. Im antiken Dekor wurden wenig überraschend die Werte des heutigen, puritanischen Amerika verhandelt. Haarlose Sphinxkatzen lockten ins „Cateaux Mieow Mieow“, und Miss Perry strampelte hoch über ihren Fans am Seil hängend.

Possierlicher geht es nicht. „Hot'N'Cold“ glänzte in halb akustischer Jazzanmutung. Selbst der alte Megahit „I Kissed A Girl“ erstrahlte in neuem, wuchtigem Arrangement. Doch so richtig ausgelassen fuhren an diesem Abend nur „Teenage Dreams“ und „California Girls“ ins Gemüt. Hier blitzte die alte Unschuld der Katy Perry noch einmal auf. Am Ende stand die Frage, wofür man votieren solle: für die Verruchte oder doch für die Brave? Hier sei Sokrates zitiert: „Was immer man tut, beides wird einen gereuen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

(v.l.) Hollywoodstar Arnold Schwarzenegger, die US-Botschafterin in Wien Alexa Wesner, US-Sängerin Katy Perry und der Geschäftsführer der Wiener Stadthalle Wolfgang Fischer
Salon

Schwarzenegger traf Katy Perry in der Stadthalle

Die Popsängerin outete sich bereits vor ihrem Auftritt mit einem T-Shirt mit der Aufschrift "Arnold is Numero Uno" als Fan des 67-jährigen "Terminators".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.