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Für Jools Holland gehen die Stars neue Wege

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Jools Holland, Institution des britischen Musikfernsehens, kommt mit einem neuen Album nach Österreich.

Der 5. November 1982 markiert den wohl wichtigsten Tag im Leben des Jools Holland. Damals moderierte der heute 57-Jährige zum ersten Mal im britischen Fernsehen. Der Sendung „The Tube“, die er gemeinsam mit Paula Yates präsentierte, war kein allzu langes Leben beschieden. Es war aber, wie sich später weisen sollte, ein guter Einstieg für Zukünftiges. Bis dahin machte der Londoner Pianist vor allem als musikalisch Zerrissener von sich reden. In den Siebzigerjahren war er ein durchaus pfiffige Melodien ersinnender Keyboarder in der New-Wave-Band Squeeze. Um so erstaunter waren die Kollegen, als sich Holland Ende der Siebzigerjahre verabschiedete. Holland erfand sich als gnadenlos rückwärtsgewandter, aber sportlicher Boogie-Woogie-Pianist neu.

Doch als solcher wäre er wohl nur eine Fußnote in der britischen Popgeschichte, wäre da nicht die BBC gewesen. 1992 bot sie ihm die Chance seines Lebens: eine eigene Musikshow, in der er vom Piano aus ein Salonorchester dirigiert, das Gastauftritte von Stars und Sternchen auf unkonventionelle Art aufpeppt. Mittlerweile ist „Later with Jools Holland“ das am längsten laufende Musikformat der Welt. In seine Sendung drängen alle. Das Spektrum reicht von Amy Winehouse bis Adele, von B.B. King bis Van Morrison. Noch die wildesten Exzentriker werden handzahm gemacht. Dass Holland in seinem Übereifer zuweilen die Regie in fremden Songs übernimmt, irritierte schon so manchen berühmten Kollegen. Doch keiner ließ sich etwas anmerken, schließlich ist so ein Auftritt bei ihm praktisch ein Freifahrtsschein in die oberen Regionen der Charts.

Mit Charme und Eloquenz überredet Holland seine Gäste regelmäßig zu Aufnahmen mit ihm. 2004 nahm er mit Tom Jones ein ganzes Album auf. Seine Serien „Small World Big Band“ und „Best Of Friends“ verkauften sich so gut, dass sie mit Platin und Gold ausgezeichnet wurden. Unvereinbar? Ach, was! Ungeachtet aller Bedenken versilbert sich Holland seine Mittlerrolle.

Aber ums Geld geht es ihm, reich mit der Ururenkelin von Hugo von Hoffmansthal verheiratet, ohnehin nicht. Der permanente Wandel durch neue Ideen spornt ihn an. „Ich musste lernen, dass es keine Gewissheiten gibt. Diese Show hat meinen Musikgeschmack neu justiert. Ständig muss ich mich auf Neues einlassen.“ Diese Erfahrung gibt er gern an jene weiter, die mit ihm aufnehmen. Auf seinem aktuellen Album „Sirens Of Song“ sind es ausschließlich Damen. Sogar tote. Da wackelt die Diva Eartha Kitt elegant durch „Ain't Misbehavin‘“, während Amy Winehouse durch den Ska-Klassiker „Monkey Man“ tobt. „Jemand wie Amy Winehouse kommt höchstens einmal im Jahrzehnt raus. Ihr Charakter war für ihre Musik genauso wichtig wie ihr Talent. Ähnlich wie bei Edith Piaf waren ihre Lieder schlicht ihr Leben.“

Bei Holland müssen sich Gäste regelmäßig aufs Eis wagen. Die junge Popsirene Emeli Sandé versuchte sich im Jazzstandard „Love Me Or Leave Me“. Selten erdig intoniert die sonst so liebliche Kylie Minogue den alten Clash-Rumpler „Should I Stay Or Should I Go“. Auf seiner heute Abend im Wiener Porgy & Bess beginnenden Österreich-Tournee hat er mit Mabel Ray, Louie Marshall und Ruby Turner drei Damen kleineren Namens, aber mit nicht zu unterschätzender Wirkung bei sich. „Ihre Stärke ist, gleichzeitig stark und verletzlich zu klingen. Da ist nicht allein der physikalische Klang betörend, sondern auch die Haltung.“

Termine: 2. März, Wien, Porgy & Bess; 20.30 h, 3. März, Linz, Posthof, 20 h; 6. März, Dornbirn, Conrad Sohm, 20 h

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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